Natalie Bordt
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Roma Sam | Porträt

Natalie Bordt „Die Musik liegt mir am Herzen“

Natalie Bordt stammt aus einer traditionellen Sinti Familie. Sie wird im deutschen Baden-Württemberg geboren. Schon früh erlebt sie Rassismus. Auch ihre Familie wurde nicht vom Porajmos, dem Holocaust an den Roma und Sinti, verschont. Die Nachwehen der Verfolgung bleiben ihr nicht verborgen. Der Liebe wegen zieht sie 2004 nach Österreich.

Heute lebt Österreichs einzige Sinti-Seelsorgerin in Niederösterreich und engagiert sich in der Katholischen Kirche. Die Not der Menschen lässt sie nicht los und so gründet sie den Sinti-Kulturverein „Newo Ziro“. Wir haben sie in Karnabrunn getroffen, um mit ihr über ihre Motivation und ihre Ziele zu sprechen.

Natalie Bordt ist das jüngste Kind eines Holocaust-Überlebenden. Gemeinsam mit ihren fünf Geschwistern wächst sie in einem Vorort von Sindelfingen auf. Schon früh bekommt sie den Rassismus im Nachkriegs-Deutschland zu spüren. Die Schrecken des Holocaust sind für Bordt allgegenwärtig. Ihr Vater wurde im Alter von nur sechs Jahren nach Auschwitz verschleppt. Er überlebt, gründet eine Familie. Trotz Anfeindungen hält die Sinti-Familie an den alten Traditionen fest, geht auf Reisen, pflegt die Traditionen. Natalie Bordt berichtet von familiärer Fürsorge und Wärme in einer Welt voller Ausgrenzung und Unverständnis für ihre Kultur.

Natalie Bordt
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Natalie Bordt | Verein Newo Ziro

Radio „Roma sam“ | 26. September 2022 | 20:50 Uhr

Präsentiert von Susanne Horvath | Live Radio Burgenland

Das Reisen bietet Gelegenheit Familie, Freunde und Verwandte zu treffen. Für Natalie Bord eine glückliche Zeit. Kinder sind der Schatz der Familie. Die Familie steht an erster Stelle. Sie bietet Rückzug und Geborgenheit in einer Welt voller Anfeindungen. Aber der Vater stirbt jung. Mit nur 15 Jahren wird Natalie Bordt Halbwaise.

Natalie Bordt
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Natalie Bordt in der Katholischen Kirche Karnabrunn

2004 zieht Natalie Bordt nach Österreich. Hier engagiert sie sich in der Katholischen Kirche. Sie wird Seelsorgerin. Österreichs einzige Seelsorgerin mit Sinti-Herkunft. Als Sintiza genießt Bordt großes Vertrauen in der Sinti Gemeinschaft. Sie spricht die Menschen in ihrer Muttersprache an. Das Sprechen der Muttersprache spielt zentrale Rolle für die Sinti. Deshalb setzt sie sich dafür ein, dass sich auch die Sinti ihre Sprache in den Gottesdienst einbringen können. Dann wird sie zu einer Audienz mit dem Papst eingeladen. Dort trifft sie auf Roma aus ganz Europa. Diese können in ihrer Sprache singen. Ihr wird klar, dass etwas fehlt. So reift die Idee, einen Gottesdienst in Romanes zu schreiben. Dieser soll auch die musikalische Begleitung beinhaltet.

Auch Weihbischof Franz Scharl erkennt die Wichtigkeit von Sprache und Kultur. Er weiß um den Stellenwert, den das kulturelle Erbe für die Sinti hat. Er beauftragt Natalie Bordt und ihren inzwischen verstorbenen Ehemann Zipflo Weinrich, eine Messe in Romanes zu gestalten und zu komponieren. 2016 findet die erste Sinti Wallfahrt nach Karnabrunn statt.

Franz Scharl
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Franz Scharl | Weihbischof

Als Seelsorgerin ist Natalie Bordt Anlaufstelle für die Sinti, die mit ihren Sorgen, aber auch Forderungen zu ihr kommen. Bald wird ihr klar, dass es eine Sinti-Vertretung braucht, um die Interessen ihrer Volksgruppe zu wahren. So gründet sie 2019, gemeinsam mit ihren Söhnen Simon und Robert, den Sinti-Kulturverein „Newo Ziro“. Es ist der einzige Sinti-Verein in Österreich. Ein Hauptaugenmerkt wird auf den Schutz und den Erhalt der Sprache gelegt. Musik spielt auch hier eine zentrale Rolle. So setzt sich Bordt für ein Miteinander von Sinti und Nicht-Sinti ein.

Natalie Bordt
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Natalie Bordt und Weihbischof Franz Scharl in der Katholischen Kirche Karnabrunn

Sinti in Österreich stehen noch immer vor ungelösten Problemen. So engagiert sich der Verein beispielsweise für den dauerhaften Erhalt von Grabstätten von Sinti, die Opfer des Nationalsozialismus wurden. Auch Lösungen für diejenigen, die den Wehrdienst nicht leisten wollen, weil ihre Vorfahren Opfer des Nationalsozialismus waren, werden gesucht. Teilweise stehen Entschädigungszahlungen noch aus. Fälle von Rassismus sind bekannt. Natalie Bordt kündigt für den Herbst einen Sinti-Kulturtag an. Weitere Aktionen sind für 2023 geplant, wenn die österreichischen Roma 30 Jahre politische Anerkennung feiern.