Brüder Grimm-Denkmal auf dem Hanauer Marktplatz
picture alliance/dpa | Christine Schultze
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DEUTSCHLAND

Der Anschlag von Hanau und seine Folgen

Der rechtsterroristische Mordanschlag am 19. Februar 2020 forderte auch Opfer aus der Minderheit der Sinti und Roma. Für Mercedes Kierpacz, Kaloyan Velkov und Vili-Viorel Păun war Hanau mehr als nur eine Stadt vor den Toren der Metropole Frankfurt. Hanau war ihre Heimat – ihr Zuhause, genauso wie für rund 96.000 andere Hanauerinnen und Hanauer.

Mercedes lebte dort mit ihrer dreijährigen Tochter und ihrem 17 Jahre alten Sohn. Als sie für sich und die Kinder Pizza holen wollte, wurde sie ermordet. Mercedes wurde 35 Jahre alt. Der 33-jährige Kaloyan kam vor zwei Jahren aus Bulgarien nach Hanau. Er war Vater eines siebenjährigen Sohnes und unterstützte mit seiner Arbeit seine Familie in Bulgarien. In der Bar, in der er gelegentlich aushalf, wurde er erschossen. Vili-Viorel kam im Alter von 16 Jahren aus Rumänien nach Deutschland, weil seine Mutter schwer erkrankt war und sich in Deutschland behandeln lassen wollte. Der junge Mann arbeitete bei einer Kurierfirma. Inzwischen gilt es als erwiesen, dass er den Täter aufhalten wollte, nachdem dieser am ersten Tatort um sich schoss. Vili-Viorel verfolgte ihn daher mit seinem Auto, während er erfolglos versuchte, die Polizei zu alarmieren. Am zweiten Tatort in Hanau-Kesselstadt wurde er vom Täter mit drei Kugeln getroffen, als er starb war er gerade einmal 22 Jahre alt.

Mercedes, Kaloyan und Vili-Viorel waren Hanauer – und sie waren Angehörige der Minderheit der Sinti und Roma. Sie waren drei von insgesamt neun Todesopfern, die am 19. Februar 2020 in Hanau einem rechtsterroristischen Mordanschlag zum Opfer fielen. Die Trauer um die Toten schmerzt und lässt auch Sinti und Roma in Angst um ihre Sicherheit zurück.

Brüder Grimm-Denkmal auf dem Hanauer Marktplatz
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Unter dem Brüder Grimm-Denkmal auf dem Hanauer Marktplatz wird an die Opfer des Anschlags vom 19. Februar erinnert

Der Anschlag war nach dem antisemitischen Anschlag auf die Synagoge in Halle und dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke der dritte rechtsterroristische Anschlag mit Todesopfern innerhalb von zwölf Monaten. Er erschütterte die Zivilgesellschaft vor Ort und weit darüber hinaus. Für den Zentralrat und den Hessischen Landesverband zeigt dieser Anschlag, der in einer Kontinuität rechten Terrors in der Bundesrepublik Deutschland steht, dass wir inzwischen ein sehr bedrohliches politisches und gesellschaftliches Klima haben. Seit 1990 wurden nach Angaben der Amadeu-Antonio-Stiftung mindestens 208 Menschen Opfer rechter Gewalt.

Der Generalbundesanwalt und alle Polizeibehörden – gerade auch in Hessen – sind somit aufgefordert, mit allen rechtsstaatlichen Mitteln endlich konsequent gegen Rechtsextremisten und gewaltbereite Rassisten vorzugehen, und zwar auf allen Ebenen. Das Ausmaß des Problems hat mittlerweile auch die Bundesregierung erkannt. Auf Initiative der Bundeskanzlerin wurde im März 2020 ein Kabinettsausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus eingerichtet, der im Oktober 2020 ein Maßnahmenpaket mit konkreten Handlungsempfehlungen vorlegte. Die Einrichtung des Ausschusses ist ein wichtiges Signal. Ein wichtiger Schritt war es, dass in diesen Prozess die Expertise und Erfahrung von Bevölkerungsgruppen miteinbezogen wurde, die von Rassismus betroffen sind. Der Zentralrat nahm in der zweiten Sitzung des Ausschusses am 2. September 2020 an einer Anhörung der Zivilgesellschaft teil und legte dem Kabinettsausschuss zuvor einen Forderungskatalog entlang der Handlungsfelder des Kabinettsausschusses vor. Was daraus folgt, bleibt abzuwarten.