PK Volksgruppen Sebastianplatz 17.12. Wien, Bernard Sadovnik, Karel Hanzl, Martin Ivancsics, Emmerich Gärtner-Horvath
orf | pavla rašnerová
Komenský Schulverein
Pressekonferenz in Wien

Vertreter aller Volksgruppen fordern dringend Kurswechsel

Die Vertreter aller sechs in Österreich offiziell anerkannten Volksgruppen haben am Dienstag in einer gemeinsamen Pressekonferenz die Bundesregierung aufgefordert, einen dringenden Kurswechsel in der Volksgruppenpolitik vorzunehmen.

Nach Aussage der Vorsitzenden der sechs vom Bundeskanzleramt bestellten Volksgruppenbeiräte ist die ethnische Vielfalt in Österreich ernsthaft in Gefahr. Der Staat komme seiner Verpflichtung nicht nach, den Volksgruppen die nötige Unterstützung zu gewähren.

PK Volksgruppen Sebastianplatz 17.12. Wien, Hollos Josef, Bernard Sadovnik, Karel Hanzl
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5 nach 12 für die Volksgruppensprachen

Konkret weisen die Volksgruppen-Vertreter darauf hin, dass die Volksgruppenförderung seit 1995 nicht mehr erhöht und das zweisprachige Schulwesen ebenfalls seit gut 25 Jahren nicht an die Anforderungen der heutigen Zeit angepasst wurde und dass es nach wie vor keine Lösung für die vor der Einstellung bedrohten Volksgruppen-Medien gibt.

Sollte die künftige Regierung keine Erhöhung der Förderungen beschließen, drohe der Republik ein Verlust der eigenen Identität. Was den Erhalt der autochthonen Volksgruppen betrifft, sei es bereits „5 nach 12“, sagte der Vertreter der Kärntner Slowenen Bernard Sadovnik.

PK Volksgruppen Sebastianplatz 17.12. Wien, Bernard Sadovnik, Karel Hanzl, Martin Ivancsics, Emmerich Gärtner-Horvath a Stanko Horvath
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Erhalt der kulturellen Identität steht auf dem Spiel

Langfristig sei es nicht mehr möglich, die in Österreich gesprochenen Sprachen zu erhalten, wenn die künftige Regierung nicht die richtigen Schritte setzt. Dabei gehe es nicht um bloße „Forderungen“, sondern um den Erhalt der kulturellen Identität.

Seit 1996 wurde die Volksgruppenförderung, die sich seitdem bei etwa vier Millionen Euro bewegt, nicht erhöht. „Wir arbeiten auf dem Niveau von vor 25 Jahren“, fasste Martin Ivancsics, Vorsitzender des Kroatischen Kultur- und Dokumentationszentrums, die Situation zusammen. Notwendig ist für die Volksgruppen-Vertreter daher jetzt schon eine Verdoppelung des aktuellen Betrags sowie eine laufende Anpassung an die Inflation.

PK Volksgruppen Sebastianplatz 17.12. Wien, Somogyi Attila, Hollos Josef, Bernard Sadovnik, Karel Hanzl, Martin Ivancsics, Emmerich Gärtner-Horvath und Stanko Horvath
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Wollen keine Bittsteller und Bettler sein

„Wir wollen nicht auf die Position von Bittstellern oder Bettlern reduziert werden. Es geht nicht nur ums Geld“, meinte auch Josef Hollós, der die ungarische Volksgruppe in Österreich vertritt. Etliche arbeiteten freiwillig in Projekten der Volksgruppen, es sei aber zunehmend schwer, noch junge Menschen dafür zu finden. Emmerich Gärtner-Horvath nannte als Beispiel den Romanes-Unterricht. „Das kostet Geld, das ist halt so“, sagte der Vorsitzende des Volksgruppenbeirates für Roma.
Dass Volksgruppen bewusst verdrängt würden, wollen deren Vertreter nicht behaupten. „Es hat noch nie jemand Negatives gesagt“, bestätigte auch Karl Hanzl, Vorsitzender des Volksgruppenbeirates für Tschechen.

PK Volksgruppen Sebastianplatz 17.12. Wien, Bernard Sadovnik, Karel Hanzl, Martin Ivancsics, Emmerich Gärtner-Horvath a Stanko Horvath
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Appelle an mehrere Regierungen seien aber ungehört geblieben. Sollte sich eine neue Koalition abzeichnen, werde man jedenfalls genau hinschauen und notfalls auch auf europäischer Ebene aktiv werden, so Martin Ivancsics.

Sorge um Zukunft vereint alle ideologischen Lager

Nicht nur eine Erhöhung der Volksgruppenförderung, auch Anpassungen im Minderheitenschulgesetz, die Förderung zweisprachiger Kinderkrippen und eine breitere Unterstützung im Medienbereich wünschen sich die Minderheiten-Vertreter. „Wir kommen aus verschiedenen ideologischen Richtungen“, betonte Burgenland-Kroate Stanko Horvath. Nun habe man sich in der Sache „zusammengerauft“, um sich auf den Erhalt der Volksgruppen zu konzentrieren.

PK Volksgruppen Sebastianplatz 17.12. Wien, Martin Ivancsics, Emmerich Gärtner-Horvath und Stanko Horvath
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Kontraproduktiv in dieser Situation halten die Volksgruppenvertreter Aussagen wie jene des einstigen ÖVP-Ministers Andrä Rupprechter, der die Ernennung des Kärntner Slowenen Josef Marketz – angeblich ironisch – als „gerechte Strafe Gottes für die Kärntner“ bezeichnet hatte. Sadovnik bezeichnete die Meldung als „abscheulich“ und wies darauf hin, dass die römisch-katholische Kirche Zweisprachigkeit immer gelebt habe – „gerade das geht uns bei der Republik Österreich ab“.