Orban vor Wahlsieg in Ungarn

Wenige Tage vor der Parlamentswahl in Ungarn sieht eigentlich alles klar aus für Ministerpräsident Viktor Orban. Den jüngsten Umfragen zufolge kann seine Fidesz-Partei mit einer deutlichen Mehrheit von 142 der 199 Sitze im Parlament rechnen.

Die Opposition ist in viele Parteien zersplittert, die ihre politische Kampagnen kaum koordinieren, und Orban hat die Medien und damit die veröffentlichte Meinung fest im Griff.

46 Prozent der Ungarn wollen einen Regierungswechsel

Doch so sicher kann sich Orban seiner Sache nicht sein. Umfragen wie die der Denkfabrik Zavecz Research zeigen, dass 46 Prozent der Ungarn einen Regierungswechsel wollen. 40 Prozent der Befragten sprachen sich dafür aus, dass Orban bleibt. Hinzu kommt ein anderes Phänomen, das Orban gefährlich werden könnte. Die Umfragen der vergangenen Wochen zeigen, dass die Wähler bereit sind, ihre Stimmen taktisch zu vergeben, um eine Mehrheit der Fidesz zu verhindern. Sie könnten für jene Kandidaten stimmen, die die besten Chancen hätten, sagte Csaba Toth, Direktor des Instituts Republikon. Orban hat zwar eine stabile Basis von rund zwei Millionen Wählern. Aber bei den Kräften, die einen Wechsel wollten, wachse die Bereitschaft zur Kooperation, sagte der renommierte unabhängige Analyst Gabor Torok. Diese Wählergruppe habe Orban völlig vernachlässigt.

Sie drängen ihre Parteien nun, in den Wahlbezirken schwache Kandidaten zurückzuziehen und sich gemeinsam auf die mit den besten Chancen zu konzentrieren. Dabei zeigt sich den Umfragen zufolge sogar, dass linke Wähler zunehmend bereit sind, Kandidaten der rechten Jobbik-Partei zu wählen, und dass umgekehrt Jobbik-Anhänger sich für Kandidaten linker Parteien entscheiden würden, wenn damit deren Gewinnchancen stiegen. Da 106 Sitze im Parlament durch Direktmandate aus den Wahlbezirken vergeben werden, ergibt sich hier die Chance, die Mehrheit der Fidesz anzugreifen.

Beispiel Hodmezovasarhely

Dass dies möglich ist, zeigte sich bei einer Lokalwahl in der Fidesz-Hochburg Hodmezovasarhely im Februar. Dort stellten die Oppositionsparteien einen gemeinsamen Kandidaten auf und gewannen. Auch wenn sich Linke und Jobbik gegenseitig bekämpften, ihre Wähler seien oft bereit, gegen die Fidesz zu kooperieren, sagte ein Aktivist der Opposition. Dennoch dürfte die Fidesz als stärkste Partei aus den Wahlen hervorgehen. Ob sie wieder die Mehrheit erringt, hängt davon ab, ob und wie ihre Gegner ihr Vorgehen koordinieren.