Brisanter Besuch in Wien | Václav Klaus und Vladimír Mečiar

„25 Jahre friedliche Teilung der Tschechoslowakei | Václav Klaus und Vladimír Mečiar berichten“, eine Diskussion, zu der die Österreichisch-Slowakische Gesellschaft zu ihrem 25. Entstehungsjubiläum in die Diplomatische Akademie Wien geladen hat.

On demand | Rádio Dia:tón | 28.5.2018

Bei der sehr zahlreich besuchten Veranstaltung unterstrich der Vorsitzende der Österreichisch Slowakischen Gesellschaft Werner Fasslabend die wohl notwendige und vorbildliche Trennung beider Staaten im Jahr 1993.

Späterer slowakischer Präsident Ivan Gašparovič und Kanzler Vladimír Mečiar

TASR

Die von vielen als sehr kontroverse Politiker wahrgenommenen Hauptrepräsentanten der Trennung der Tschechoslowakei waren die damaligen Regierungschefs der beiden Teilrepubliken, Václav Klaus (Tschechien) und Vladimír Mečiar (Slowakei).

Im Haus Nr. 45 in der Černopolní ulice in Brünn ist die Villa Tugendhat. Sie ist seit 2001 als Teil des Weltkulturerbes registriert. Unzertrennbar mit der Tschechoslowakischen Geschichte ist Villa 1992 geworden, als sich die Regierungschefs Mečiar und Klaus dort trafen, um die Abläufe für die Trennung der Staaten zu diskuttieren.

Klaus Meciar rozdeleni Ceskoslovenska

Jef Kratochvíl

Bilder der beiden, unter einer Platane sitzend und gestikulierend, gingen damals um die Welt. Was darauf folgte, waren zwei voneinander unabhängige Staaten, deren Entstehung das Glockenläuten in der Silvesternacht 1992/93 einläutete.

Nach den Vorträgen der beiden Vertreter, bei denen mit Dankes- und Lobesworte an den jeweiligen Partner nicht gespart wurde, erörterte Yvonne Strujic für Rádio Dia:tón gemeinsam mit Vladimir Mečiar seine persönlichen Beweggründe für seinen starken Willen zur Veränderung der slowakischen Lebensverhälntnisse und wie er der großen Kritikwelle, die seine Amtszeiten mit sich brachten und nach sich ziehen, entgegensetzt.

Vladimir Meciar und Vaclav Klaus in Wien | 25 Jahre Trennung der Tschechoslowakei

ORF | yvonne strujic

Mečiar | „Damals sagte ich zu mir, das muss ich rächen...“

Aufgwachsen in der realsozialistischen Tschechoslowakei, war der Frühling 1968 für den jungen Vladimír Mečiar, wie für viele andere ein großer Hoffnungsfunke:

„Der Großteil der Bevölkerung leistete passiven Widerstand. Ich war zwischen den Panzern, verteilte Flyer, unternahm verschiedene Schritte gegen die Okkupanten, ich leitete zwei Sender gegen sie. Danach folgten die Sanktionen, denn dan gehörte ich zu den sozialismus- und sowjetunionfeindlichen Personen“, so Mečiar.

Damals fügte sich Vladimír Mečiar seinem Schicksal und unternahm Schritte, um seine „ruinierten Kaderrezensionen“, wie er sagt, aufzubessern, doch innerlich führte ihn eine starke Motivation in eine ganz andere Richtung: „Damals sagte ich zu mir, das muss ich rächen, einmal wird die Stunde kommen und ich sah sie kommen im Jahr 1989 und 1990. Ich dachte nicht daran, dass ich lange in der Politik bleibe, ich wollte nur die STASI auflösen, die Kommunistische Partei auflösen und zu meinem juristischen Beruf zurückkehren. Aber es kam, wie so oft, anders.“

Im Interview mit dem ORF im August 2017 erzählt der prominente slowakische Historiker und jahrelanger Voristzender der Slowakischen Akademie der Wissenschaften Dušan Kováč, dass die Trennung der Tschechoslowakei bis heute als Verrat an die Bevölkerung betrachtet werde, weil die Parlamente und Regierungen der Teilrepubliken ohne Neuwahl zu Institutionen souveräner Staaten aufgewertet wurden. Man habe das Volk zuvor lange im Glauben gelassen, es werde noch das von der Verfassung vorgesehene Referendum zur Trennung noch geben. Doch das vermieden Klaus und Mečiar, so Kováč, weil sie bei negativem Ausgang wohl hätten zurücktreten müssen.

moderátor debaty a Vladimír Mečiar ve Vídeňské diplomatické akademii

orf | yvonne strujič

In Wien vertreidigten die beiden Protagonisten ihr Vorgehen so, dass es damals raschere und effektivere Lösungen abverlangte, um den Zerfall der Tschechoslowakei in Chaos zu verhindern. Eine geplante und rasche Trennung sei es gewesen, die ähnliche Zustände wie in Jugoslawien verhindert hätte. Ein Referendum anzuwarten hätte sich über Jahre ziehen können, eine Zeit, die ihnen in solchen Entscheidungen gefährlich lange zu sein schien.

Václav Havel by dnes slavil 80.narozeniny

Český rozhlas | Tomki Němec

Václav Havel

Auch der damallige tschechoslowakische President Václav Havel war, wie auch die Bevölkerung vieler Umfragen von damals zufolge, der Trennung nicht wohlgesonnen. Bis zu seinem Tod schmerzte Havel der Ausgang der Verhandlungen der Jahres 1992, in dem die Trennung beschlossen wurde, berichtete seine Frau Dagmar im Interview mit dem ORF im Jahr 2017.

Vladimir Meciar und Vaclav Klaus in Wien | 25 Jahre Trennung der Tschechoslowakei

ORF | yvonne strujic

Eine Verbindung zu Österreich auch nach der Entstehung der Slowakei findet Vladimir Mečiar in einer gewissen Vorbildfunktion des Nachbarn: „Ich habe damals viel mit dem damaligen Bundeskanzler Franz Vranitzky gesprochen, wie man das machen könnte. Denn auch Österreich war nach dem Krieg ziemlich besitzlos, doch durch hohen Fleiß schafften es die Österreicher sich wieder Kapital anzuschaffen und wachsen zu lassen. So wollten wir auch in der Slowakei primäre Quellen anschaffen, um dies voranzutreiben“, so Mečiar.

Vladimir Meciar und Vaclav Klaus in Wien | 25 Jahre Trennung der Tschechoslowakei

ORF | yvonne strujic

Am 23. Mai 2018 trafen sich Václav Klaus und Vladimir Mečiar in der Wiener Favoritenstrasse, im Vierten Gemeindebezirk, um die historischen Ereignisse in Erinnerung zu rufen, aber auch, den kritischen Fragen aus dem Publikum, die nach 25 Jahren nach wie vor hohe Aktualität zu haben schienen, Antworten zu bieten. Eine der Fragen betraf auch den Tod durch einen umstrittenen Autounfall des Anführers des Prager Frühlings und späteren politischen Oponenten Mečiars, Alexander Dubček. Neben der Entführungsaffäre des Sohnes des damaligen Präsidenten Michal Kováč jun., wird Mečiar von vielen bis heute ein Zusammenhang mit dem Unfall Dubčeks angeheftet. Vladimír Mečiar konterte mit einer emotionsarmen Rede und reduzierte Dubček auf eine „der wenigen bedeutenden Persönlichkeiten der Slowakei im Laufe der Geschichte“. Den Grund dieser Bedeutung zu nennen, darauf verzichtete der Redner.

Kontroverser als Präsident des ersten slowakischen Staates, Jozef Tiso

1942 wurde er im slowakischen Zvolen geboren, der spätere erste frei gewählte Ministerpräsident der Slowakischen Republik, Vladimír Mečiar. Durch drei Legislaturperioden führte der ehrgeizige Amateurboxer seine von ihm gegründete Partei HZDS | Bewegung für eine demokratische Slowakei, die, nach ihrer Auflösung 2013 weit mehr nur ein leeres Regierungsgebäude in der Tomášikova ulica in Bratislava hinterließ:

Nach anfänglicher großer Hoffnung der Slowaken in den Politiker Vladimír Mečiar, der sich als Verteidiger sozialer und nationaler Interessen der Slowaken innerhalb der Tschechoslowakei präsentierte und so zu der Zeit auch den Titel „Vater der Nation“ davontrug, wandelte sich bis zur Dritten Amtsperiode das Bild des Gründervaters der Ersten Demokratischen Slowakischen Repuplik.

Sein autokratischer und nationalisch geprägter Regierungsstil, zahlreiche schwerwiegende politische und ökonomischen Skandale verliehen seiner Regierungszeit den bitteren Beinamen „Mečiarismus“, als traumatische Fortsetzung des realsozialistischen Kommunismus.

Schwerwiegende Vorwürfe trug Vladimír Mečiar auch mit sich, weil er die Untersuchung und Aufklärung die von ihm erteilten sogenannten „Mečiar-Amnestien | Mečiarove amnestie", die in seiner Amtszeit unter anderem verurteilten Personen rund um Staatsaffären mit einem Male die Freiheit erließen, lange verhinderte. Erst nach Bestätigung der parlamentarisch beschlossenen Aufhebung des Amnestiegesetzes durch den Verfassungsgerichtshof am 31. Mai 2017 wurde eine Untersuchung der Vorfälle möglich.

Nach Jahren in der Opossition, beteiligte sich HZDS für eine Amtsperiode in Ficos SMER Regierung, bei den Parlamentswahlen 2010 scheiterte die Partei erstmals an der 5-Prozent-Hürde und verfehlte den Einzug ins Parlament. Nachdem die HZDS auch bei den Parlamentswahlen 2012 den Einzug ins Parlament verpasst hatte, trat Mečiar 2013 als Parteichef zurück. Bis heute sei es für ihn jedoch nicht einfach, das Land, für das er so enegrisch gekämpft hatte, seinem Schicksal zu überlassen, so der ehemalige Staatschef im Interview: „Es ist natürlich nicht leicht, aber ich habe mich mittlerweile in die Einsamkeit der Natur zurückgezogen. Auch wenn es diese Generation nicht versteht, dass ich damals viel Vorteilhaftes für die Slowakei vorangetrieben habe, die nächste, oder übernächste wird es bestimmt“.

Laut einer Umfrage wurde Mečiar im Jahr 2011 in der Slowakei bereits kontroverser beurteilt als der Präsident des ersten slowakischen Staates, Jozef Tiso.

Es war also die Platane, unter deren wohl eher ungewollten Schutz die Trennung der Tschechoslowakei von Klaus und Mečiar beschlossen wurde. Interessant zu erwähnen ist, dass die Borke dieses Baumes jährlich in dünnen Platten abblättert und ein typisches unverwechselbares Mosaik aus weißlichen und grünlichen Bereichen hinterlässt. Den Baum gibt es heute nicht mehr, verkünden die beiden Protagonisten der Diskussion symbolhaft in Wien. Doch die historische Borke des Staates Tschechoslowakei bleibt. Sie blättert weiterhin ab und verändert sich. Und wird immerwährend ein unverwechselbares Mosaik darstellen.

Meldung auf Slowakisch | Klaus a Mečiar spomínajú vo Viedni na diskusie pod platanom

Yvonne Strujic | ORF Volksgruppenredaktion