Václav-Havel-Preis für inhaftierten Memorial-Direktor

Der inhaftierte russische Menschenrechtler Ojub Titijew ist mit dem Václav-Havel-Preis des Europarates ausgezeichnet worden.

Ein Stellvertreter nahm die Ehrung heute in Straßburg entgegen. Titijew, der knapp zehn Jahre lang das Büro der Menschenrechtsorganisation Memorial in Tschetschenien leitete, sitzt seit Monaten wegen angeblichen Drogenbesitzes in Untersuchungshaft.

Mit dem Václav-Havel-Preis zeichnet die Parlamentarische Versammlung des Europarates seit 2013 Menschenrechtsaktivisten aus. Der Preis ist mit 60.000 Euro dotiert und benannt nach dem verstorbenen Bürgerrechtler und Präsidenten der Tschechischen Republik. Der Europarat hat zur Aufgabe, über die Menschenrechte in seinen 47 Mitgliedstaaten zu wachen - darunter Russland.

Menschenrechtsarbeit muss weitergehen

In einer verlesenen Nachricht des 61-Jährigen hieß es: Zwar sei Memorial zahlreichen Schikanen ausgesetzt. Sein eigenes Büro sei geschlossen worden, ein Kollege in der Nordkaukasusrepublik Dagestan sei auf offener Straße verprügelt worden. „Aber es gibt eine Sache, von der ich überzeugt bin: Diese Arbeit, die Menschenrechte in Tschetschenien und Russland zu schützen, muss weitergehen, und internationale Solidarität kann uns dabei helfen.“

Liliane Maury Pasquier, Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (Mitte) mit den Nominierten, Nabeel Rajab (Bahrain), Rosa María Payá (Kuba) & Vertretung von Ojub Titijew (Russland)

Council of Europe

Liliane Maury Pasquier, Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (Mitte) mit den Nominierten, Nabeel Rajab (Bahrain), Rosa María Payá (Kuba) & Vertretung von Ojub Titijew (Russland)

Memorial massiv unter Druck

Memorial befasst sich unter anderem mit Gräueltaten in Tschetschenien oder erinnert an die Verbrechen während der Stalin-Ära. In Russland steht die 1988 gegründete Organisation massiv unter Druck. Todesdrohungen und Prozesse gehören zum Alltag der Mitarbeiter. Memorial hatte immer wieder über kollektive Strafmaßnahmen, Entführungen und Folter in der islamisch geprägten Kaukasusrepublik berichtet.

Im Jänner festgenommen

Titijew wurde dort im Jänner festgenommen. Die Ermittler behaupten, in seinem Wagen Marihuana gefunden zu haben. Der Aktivist wies die Vorwürfe wiederholt als Erfindung zurück. Seine Familie floh aus Furcht vor Verfolgung aus der Heimat.

Nachricht an Menschenrechtsaktivisten

„Wir sind uns vollends bewusst, welchen Schwierigkeiten Herr Titijew und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgesetzt sind“, sagte die Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, Liliane Maury Pasquier, bei der Preisverleihung. Der Preis sei „eine Nachricht an all diejenigen, die in dieser Region für die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und die Menschenrechte eintreten“.

Vorgängerin Titijews, Natalja Estrimowa, ermordet

Titijew hatte im Jahr 2000 begonnen, für Memorial über Menschenrechtsverletzungen in der von zwei Kriegen traumatisierten Republik Tschetschenien zu berichten. Natalja Estrimowa, die vor ihm das Büro in Grosny leitete, war 2009 entführt und ermordet worden. Ihre verbrannte Leiche fand man später in der Nachbarrepublik Inguschetien. Bis heute ist der Fall nicht aufgeklärt.

Titijew setzte sich in der Endrunde gegen zwei andere Menschenrechtsaktivisten durch, die ebenfalls für den Václav-Havel-Preis nominiert waren. Bei ihnen handelt es sich um die aus Kuba stammende Leiterin des lateinamerikanischen Netzwerks für Demokratie, Rosa Maria Payá, und den seit 2016 im Königreich Bahrain inhaftierten Menschenrechtsaktivisten Nabeel Rajab.

Frühere Preisträgerinnen und -träger

Vergangenes Jahr ging die Auszeichnung an den ehemaligen türkischen Verfassungsrichter Murat Arslan, der wie viele andere türkische Beamte nach den gescheiterten Putschversuch vom Juli 2016 aus dem Dienst entlassen und inhaftiert worden war. Frühere Preisträger waren unter anderen die vor der Jihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) aus dem Irak geflüchtete Jesidin (Yezidin) Nadia Murad sowie die Menschenrechtsaktivisten Ljudmila Alexejewa aus Russland, Anar Mammadli aus Aserbaidschan und Ales Bialiazki aus Weißrussland.

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