Wie Europa in Afrika für neue Grenzmauern sorgt

Wer verstehen will wie die Europäische Union versucht, den Flüchtlingsstrom aus Afrika einzudämmen, muss das Buch „Diktatoren als Türsteher Europas“ lesen.

Detailliert listen die beiden Journalisten Christian Jakob und Simone Schlindwein auf, wie die EU versucht, durch ähnliche zwischenstaatliche Abkommen wie jenem mit der Türkei, den Flüchtlingsstrom aus Afrika zu bremsen bzw. völlig einzudämmen.

Christian Jakob, Simone Schlindwein: "Diktatoren als Türsteher Europas. Wie die EU ihre Grenzen nach Afrika verlagert, Ch. Links Verlag, Berlin, 2017. 320 Seiten, 18,50 Euro. ISBN 978-3-86153-959-9

Europa versorgt sechs Prozent der Flüchtlinge

Schlindwein, die seit 2008 als Afrika-Korrespondentin der Berliner Tageszeitung (taz) in Uganda lebt und immer wieder auch für österreichische Medien aus Ostafrika berichtet, und ihr taz-Kollege Christian Jakob listen zuerst chronologisch die Entwicklungen auf, die zur sogenannten Flüchtlingskrise in Europa geführt haben. Dabei räumen sie auch mit dem Mythos auf, dass der Flüchtlingsansturm nach Europa eine historisch einzigartige Situation darstelle und Europa besonders betroffen sei. Denn immerhin werden laut dem Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen nur etwa sechs Prozent der weltweiten Flüchtlinge in Europa versorgt. Subsahara-Afrika beherbergt indes 30 Prozent der weltweit Vertriebenen, weitere 40 Prozent finden in Nordafrika und im Nahen Osten Schutz.

Partnerschaftsabkommen zielen auf Abschiebungen ab

Dass die Strategie der EU, Partnerschaftsabkommen mit afrikanischen Ländern ähnlich jenem mit der Türkei abzuschließen, nur darauf abziele, Rückführungsabkommen und somit die Zahl der Abschiebungen zu erhöhen, wird in dem Buch detailliert gezeigt. Ebenso wie sich das Schlepperwesen zu einem international agierenden mafiösem Netzwerk entwickelt hat.

Hilfe für Staaten an klassischen Flüchtlingsrouten

Interessant ist vor allem, dass die EU ihre Hilfe auf jene Staaten an den klassischen Flüchtlingsrouten konzentriert, wie etwa den Niger oder Tschad. Staaten, die etwas abseits davon liegen, wie Uganda, das eine sehr offenherzige Flüchtlingspolitik betreibt, dafür aber die Entwicklungshilfegelder entzogen werden.

Rücküberweisungen von Arbeitsmigranten

Während Migration in Europa als Bedrohung gilt und die EU Milliarden ausgibt, damit afrikanische Staatschefs, darunter Diktatoren und Kriegsverbrecher, Migranten und Flüchtlinge aufhalten, gilt Migration in Afrika als die Chance auf ein besseres Leben. Ohne die Rücküberweisungen von Arbeitsmigranten an ihre Familien zu Hause wären viele afrikanischen Staaten quasi bankrott. Auch profitieren jene Staaten, die Migranten aufnehmen, wirtschaftlich durchaus davon, wie Jakob und Schlindwein zeigen.

Zugang zu Grenzen & Märkten

Zwar werde Afrika in Europa als „Chancenkontinent“ wahrgenommen, doch seien die EU-Staaten nicht unschuldig an der zunehmenden Migration, wenn Milchpulver und Hühnerteile aus Europa die Lebensgrundlage vieler afrikanischer Bauern zerstöre, analysieren die Autoren abschließend. Während nämlich Afrika von geschützten Märkten und offenen Grenzen träumt, wolle die EU geschützte Grenzen und eine Öffnung der Märkte. Solange es nicht gelingt, diesen Widerspruch der Interessen zu lösen, bleibt auch eine Partnerschaft zwischen Europa und Afrika eine Illusion.