Tschechische Minderheitsregierung übersteht Vertrauensabstimmung

Neun Monate nach den Parlamentswahlen in Tschechien hat die Minderheitsregierung von Ministerpräsident Andrej Babiš eine Vertrauensabstimmung im Parlament überstanden. Von den 196 anwesenden Abgeordneten stimmten nach einer Marathonsitzung in der Nacht zum Donnerstag 105 für die Minderheitsregierung von Babiš Ano-Partei mit den Sozialdemokraten.

„Das Parlament hat dem Kabinett sein Vertrauen ausgesprochen“, sagte Parlamentspräsident Radek Vondráček nach der mehr als 16-stündigen Sitzung. Unterstützung bekam die Regierung auch von der Kommunistischen Partei.

Radek Vondráček

MAFRA

Radek Vondráček

Es ist das erste Mal seit dem Ende des Kommunismus 1989, dass eine Regierung von den Kommunisten geduldet wird. Diese hatten ihre Unterstützung an die Bedingung geknüpft, im Gegenzug Posten in grossen staatlichen Unternehmen zu erhalten. Babiš und auch Staatschef Miloš Zeman waren früher beide Kommunisten.

Andrej Babiš Miloš Zeman

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Mehrere hundert Menschen demonstrierten am Mittwoch vor dem Parlament in Prag gegen die Kommunistische Partei. Als Babiš nach draussen kam, um mit den Demonstranten zu sprechen, wurde er ausgebuht. Medienberichten zufolge schmissen einige Protestteilnehmer Plastikflaschen auf den Regierungschef.

„Neue Situation“

Der Politikwissenschaftler Tomáš Lebeda von der Palacký-Universität sagte, die Duldung durch die Kommunisten stelle eine „Verschiebung“ in Tschechien dar. „Diese Situation ist neu, aber es ist keine Revolution“, sagte er und verwies auf die Regional- und Gemeindeebene, wo die Kommunisten zum Teil regierten.

Tomáš Lebeda

Deník | Kopáč Jiří

Tomáš Lebeda

Nach der Wahl im Oktober waren neun Monate bis zur Bildung einer Regierung vergangen. Potenzielle Koalitionspartner mieden den auch wegen Korruptionsvorwürfen umstrittenen Milliardär Babiš zunächst. Der erste Versuch, eine Regierung aus Mitgliedern von Babiš populistischer Ano-Partei und parteilosen Experten zu bilden, war im Januar bei einer Vertrauensabstimmung im Parlament gescheitert.

Im Juni war es Babiš zwar gelungen, eine Minderheitsregierung mit den Sozialdemokraten zu bilden. Sie verfügt aber nur über 93 der 200 Sitze im Parlament und ist daher auf die Unterstützung der 15 kommunistischen Abgeordneten angewiesen.

Noch kein Aussenminister

Das Kabinett ist allerdings noch unvollständig: Staatschef Zeman weigert sich bislang, den Sozialdemokraten Miroslav Poche als Aussenminister zu bestätigen. Deshalb wird das Amt derzeit kommissarisch von Innenminister Jan Hamáček geleitet.

Miroslav Poche

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Miroslav Poche

Zeman wirft Poche Korruption vor und kritisiert ihn wegen einer zu offenen Haltung gegenüber Flüchtlingen. Tschechien verfolgt eine harte Linie in der Flüchtlingspolitik - Babiš hat der illegalen Einwanderung den Kampf angesagt.

Článek v češtině | 13.7.2018 | Česká menšinová vláda získala důvěru parlamentu