Radio Dráťák | Wiener Tschechen im Widerstand | Jiří Plachý

Kurz nach dem Anschluss Österreichs an Hitlerdeutschland 1938 zeigte sich die Kraft des tschechoslowakischen Nachrichtendienstes, kurz darauf war schon eine Reihe tschechischer Widerstandsgruppen aktiv. Viele Wiener Tschechen schlossen sich den Aktivitäten der illegalen Kommunistischen Partei Österreichs an oder sie bildeten einen wichtigen Bestandteil der tschechoslowakischen Auslandsarmee.

On demand | Rádio Dráťák | 8.4.2019

Radio Dráťák Magazin

8.4.2019 | 21:10 | Radio Burgenland Livestream

Redakteurin Pavla Rašnerová traf für das Magazin Dráťák den Historiker Jiří Plachý vom Militärgeschichtlichen Institut in Prag im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands in Wien. Einen Tag nach seinem Vortrag über dasselbe Thema im Tschechischen Zentrum Wien, sprach sie mit ihm über die Aktivitäten des tschechoslowakischen Widerstands in Österreich.

Jiří Plachý Militärhistorisches Institut Prag Jiri Plachy

orf | pavla rašnerová

Historiker Jiří Plachý | Militärgeschichtliches Institut in Prag

„Widerstand der Wiener Tschechen“ ist auch einer der Beiträge unseres April Fernsehmagazins České ozvěny/ Slovenské ozveny, das Sie am Sonntag 14. April um 13:05 auf ORF2 sehen können.

Jiří Plachý Pavla Rašnerová

orf | pavla rašnerová

Trotz hinter Libuše

Nach dem Märzer Anschluss Österreichs im Jahr 1938 kam es zur Abschaffung des Parlaments und Zerstörung aller politischen Parteien. Der Assimilationsdruck wurde immer stärker und kulminierte so in den tschechischen Widerstand gegen Diktatur, der auch hunderte Wiener Tschechen umfasste. Die Gruppe „Libuše“ war eine der ersten Widerstandsformationen.

„Es ging um Menschen, die Mitglieder des gleichnamigen Vereins waren, der von den Nazis aufgelöst wurde. Folglich gelang es aber die Tätigkeit dieses Vereins mit einem anderen Inhalt wiederherzustellen. Sie diskutierten über die künftige Staatsordnung in der Tschechoslowakei, die Notwendigkeit der Wiederherstellung der Tschechoslowakei. Dennoch wurde die Gruppe schon im Jahre 1940 von der Gestapo zerschlagen und 13 Widerstandskämpfer/innen wurden verhaftet“, bringt Jiří Plachý das Funktionieren der Widerstangsgruppe „Libuše“ nahe.

DÖW Tschechische Widerstandsgruppe

orf | pavla rašnerová

Falls Sie das Thema interessant finden, lohnt es sich sicher, das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands in Wien zu besuchen, und zwar auf der Adresse Wipplingerstraße 6 im 1. Bezirk, unweit vom Slowakischen Institut in Wien.

Repression der tschechischen Volksgruppe

Das starke Agenturnetz des Tschechoslowakischen Militärischen Nachrichtendienstes nutzte das österreichische Gebiet zur Verbindung mit Ungarn und Deutschland. Jedoch begann ab Mai 1938 die Gestapo weitreichend seine Mitarbeiter/innen zu verhaften.

„Es begannen verschiedene Repressionen, vor allem im Bereich des Schulwesens. Tschechische Zeitschriften wurden stillgelegt und tschechische Vereine zerschlagen. Deutsche wurden zu Direktoren der tschechischen Schulen erklärt. Im Jahre 1941 wurde auch die Tätigkeit Sokols als die größte tschechische Leibeserziehungsorganisation verboten. Tschechen versammelten sich auf der Basis der aufgelösten Vereine. Sie dachten über die Nachkriegsordnung Europas, die Notwendigkeit der Wiederherstellung der Tschechoslowakei, aber auch über Zukunft ihrer neuen Heimat nach“, erzählt Plachý weiter.

DÖW Uniform

orf | pavla rašnerová

Tschechische Sektion der Kommunistischen Partei Österreichs

Die größte tschechische Widerstandsgruppe gegen das NS-Regime bildete die sogenannte Tschechische Sektion der KPÖ.

KPÖ Stempel

orf | pavla rašnerová

So wurde sie von der Wiener Gestapo bezeichnet. Die Gruppe beteiligte sich auch an manchen Angriffen mit Sprengstoffen oder Bränden gegen Wehrmacht-Institutionen. „Es handelte sich nicht nur um Kommunisten. Verhaftet wurden später, im Rahmen dieser Gruppe, auch Sozialdemokraten, Christdemokraten, Sokol-Mitglieder sowie Mitglieder anderer politischen Parteien und Verbände“, beschreibt Plachý die Struktur der Widerstandskämpfer/innen innerhalb der Kommunistischen Partei Österreichs.

KPÖ

orf | pavla rašnerová

Vermehrt Frauen im Widerstand

An dem tschechischen Widerstand nahmen auch zahlreiche Frauen teil, die sowohl für ihr Tschechentum, als auch für das freie Österreich kämpften. „In der tschechischen Sektion KPÖ waren später große Persönlichkeiten der tschechoslowakischen Volksgruppe aktiv, wie Irma Trksák oder Antonie Bruha, die 1941 verhaftet wurden und folgend den Rest des Krieges im Konzentrationslager Ravensbrück fristen mussten. Das gleiche Schicksal erreichte auch die Gruppe Josef Pojars. Seine nahestehendeste Mirarbeiterin Marie Rausová wurde zusammen mit ihm verhaftet“, erzählt der Gast des Montagsmagazins Radio Dráťák, der Militärexperte Jiří Plachý.

Antonia Bruha DÖW

orf | pavla rašnerová

Antonia Bruha | Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands

Pater Josef Pojar Widerstand

Archiv Vojenského historického ústavu Praha

Pater Josef Pojar

Katholischer Priester zum Nachrichtenoffizier

Der Widerstandsgruppe, die von dem militärischen Fallschirmspringer und katholischen Priester Josef Pojar organisiert wurde, gelang etwas beinahe Unmögliches. Er schloss sich dem tschechoslowakischen Widerstand an, der im Ausland wirkte: „Im März 1944 gelang es ihm, die deutsch-kroatischen Grenzen zu überqueren. Er gelangte in das von jugoslawischen Partisanen geleiteten Gebiet, die ihn später an eine der britischen Missionen übergaben, die dort wirkten und per Flugzeug wurde er nach Süditalien abgeschickt, wo er eine nachrichtendienstliche Ausbildung erhielt. In der Zeit wirkte dort die tschechoslowakische Militärmission, die aus London entsendet wurde. In Folge nahm er das Angebot an, als Nachrichtenoffizier nach Wien zurückzukehren“, spricht Plachý über Pojars Lebensweg.

Pater Josef Pojar Widerstand

Archiv Vojenského historického ústavu Praha

Exekution der Wiener Tschechen

Zwischen den Jahren 1940 und 1945 wurden 69 Wiener Tschechen von den Nazis hingerichtet. Sie wurden als Feinde des Volkes angesehen. Heutzutage erinnert ein Denkmal auf dem Wiener Zentralfriedhof an ihre Tapferkeit und Kraft. Dieses wurde im Jahr 1946 von der tschechoslowakischen Sektion der KPÖ enthüllt.

Die Wiener Tschechen, die für die Schutzhaft bestimmt wurden, kamen in alle Konzentrationslager des Nazi-Reiches, genauso wie die Tschechen aus dem Protektorat Böhmen und Mähren. „Die verhafteten Widerstandskämpfer/innen endeten sehr oft im KZ Mauthausen, wo 28 Angehörige der tschechoslowakischen Sektion KPÖ hingerichtet wurden. Das war wahrscheinlich die größte Exekution der Wiener Tschechen, zu der es im Krieg kam“, ergänzt der Prager Historiker Jiří Plachý.

DÖW Uniform KZ

orf | pavla rašnerová

Das Interview mit dem Militärexperten Jiří Plachý, dem Historiker vom Militärgeschichtlichen Institut in Prag, führte für Sie Pavla Rašnerová. Hören Sie es sich in der Montagsendung Radio Dráťák 8.4.2019 ab 21:10 Uhr auf Radio Burgenland. Durch die Sendung führt Tereza Chaloupková.

7.4.2019 | Rádio Dráťák Magazín | Vídeňští Češi v odboji | Jiří Plachý

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