Rijeka 2020 europski grad kulture
Rijeka 2020 – EPK
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kultur

Rijeka ist Kulturhauptstadt Europas

Mit Lärm, Lichteffekten und Symbolik trat die kroatische Hafenstadt Rijeka am Samstagabend in ihr Kulturhauptstadt-Jahr ein. Mit der „Opera Industriale“, einer Hommage an die Industrieidentität der Adriastadt, stellte die neue europäische Kulturmetropole Werte wie Toleranz, Vielfältigkeit und Antifaschismus in den Mittelpunkt.

Das gesamte Hafenareal, in dem die Eröffnungsfeier am Samstagabend stattgefunden hat, verwandelte sich zu einer großen Bühne an Land und im Wasser. Hafenkräne und Frachtwaggons wurden nicht nur Kulisse, sondern auch Veranstaltungsorte des Spektakels, auf der langen Hafenmole gab es Lichtinstallationen. Mittendrin im Hafenbecken fuhren zahlreiche kleine Segel- und Motorbote chaotisch hin und her.

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Rijeka als „Hafen der Vielfalt“

Die Eröffnung hätte nirgendswo anders als im Hafen stattfinden können, sagte der Kulturdezernent der Stadt, Ivan Sarar, bei einer Pressekonferenz vor der Aufführung. Der Hafen gilt als ein starker Identitätspunkt, der Rijeka ermöglicht hat, sich zu einer offenen und toleranten Stadt zu entwickeln. Daraus ergab sich auch der Slogan der Kulturhauptstadt: „Hafen der Vielfalt“.

Als eine der beiden diesjährigen Kulturmetropolen Europas – die zweite ist das irische Galway – präsentierte sich Rijeka ungeschliffen, laut und robust. Wie die Hafen- und Industriestadt halt sei, betonten die Organisatoren. Es sei bewusst keine gepflegte Eröffnungsfeier geplant worden, sagte der Kulturdezernent, selbst ein ehemaliger Punkmusiker. „Wir werden zeigen, wie Rijeka tatsächlich ist“, kündigte er im Vorfeld an. Nach dem Spektakel zeigte sich Sarar laut der lokalen Zeitung „Novi List“ stolz, dass die Stadt ihre raue und harte Energie zeigte. Es habe alles wie der „Blade Runner von Rijeka“ ausgesehen.

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„Opera Industriale“ im strömenden Regen

Strömender Regen und Wind haben die wilde Atmosphäre der Eröffnungsfeier noch zusätzlich gesteigert. Tausende Zuschauer unter Regenschirmen und in Regenponchos, die alle Piere in dem Hafen sowie die Mol besetzten, ließen sich vom schlechten Wetter aber nicht stören. Für Bewohner einer Stadt, die sich auch europäische Regenmetropole nennen könnte, gehöre sich das schließlich, hieß es.

Ihren Namen „Opera Industriale“, mit dem die Industriearbeiter der Stadt, ihre vielfältige Geschichte und Tradition geehrt wurden, wurde die Eröffnungsfeier schon mit den ersten Takten gerecht. Die Hafensirenen markierten den Beginn, ein riesiger Kran neben der Hauptbühne leuchtete in Funken auf, die aus dutzenden Schleifmaschinen sprühten.

Der Maschinensound vermischte sich mit dem Jubel des Publikums und Klängen von tausenden Glocken, die unter die Zuschauer verteilt wurden. Dutzende Tänzer in blauen Arbeitsanzügen und Schutzhelmen ergänzten das Bild. Auf einer riesengroßen Pixelwand an der Hafenmole wechselten sich Parolen ab, darunter Respekt, Frieden, Toleranz, Koexistenz, Antifaschismus, Kunst, Europa und Liebe.

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Rijeka gehörte in 100 Jahren zu sieben Staaten

Kakofonie und Lärm zogen sich als Leitfaden durch das Spektakel. Den Ton gaben u.a. experimentelle Instrumente an. Der Sound aus dutzenden elektrischen Gitarren und Schlagzeugen wechselten sich mit einem Chor ab, der sich für die Eröffnung aus mehreren lokalen Gruppen zusammensetzte. Der finnische Männerchor Mieskuoro Huutajat (Die Rufer), dessen Besonderheit ist, dass er ruft, schreit und brüllt anstatt zu singen, trug auf seine einzigartige Weise die Nationalhymnen von sieben Staaten, unter deren Herrschaft Rijeka im turbulenten 20. Jahrhundert stand, sowie die heutige kroatische und europäische Hymne vor. Von der österreichischen Bundeshymne konnte man lediglich „viel geliebtes Österreich“ verstehen. Die zwischendurch vorgelesenen, historischen Fakten über Rijeka brachten eine alles andere als langweilige Geschichte näher.

Das bewies auch eine Ausstellung in der Fußgängerzone, die für erste Kontroversen in der Kulturhauptstadt sorgte. Dort sind die Flaggen aller Staaten, unter deren Herrschaft Rijeka in den vergangenen 100 Jahren stand, zu sehen – teils in künstlerischer Abwandlung. Kroatische Kriegsveteranen und nationalistische Politiker empörte ein Plakat mit der Flagge des früheren Jugoslawiens mit dem roten Stern, das auch mit Farbe besprüht wurde und ersetzt werden musste.

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Feier bis in die frühen Morgenstunden

Einen Höhepunkt erreichte das Eröffnungsspektakel schließlich mit dem Lied „Bella ciao“, das in der Version der italienischen Partisanen im Zweiten Weltkrieg zu einer Hymne der antifaschistischen Bewegungen wurde. Bei dessen Rockausführung versammelten sich alle Mitwirkenden auf der Bühne, die Schleifmaschinen und die Zuschauer bündelten ihre Kräfte, um Europa an das eigene antifaschistische Erbe und ebendiese Werte zu erinnern.

Für einen lautstarken Abschluss sorgten rund 500 Glockenträger (Zvončari) – Gestalten in Schafsfell und Tiermasken, die mit lauten Glockenklängen die bösen Geister beim traditionellen Karneval von Rijeka vertreiben.

Mit dem abschließenden spektakulären Feuerwerk endete die große Kulturparty, wie der gesamte mit Events vollgepackte Samstag bezeichnet wurde, längst nicht. Die gewaltige Energie der Eröffnungsfeier trug sich vom Ufer auf die vollgepackten Straßen der Innenstadt über, wo sich die Feier auf zahlreichen Bühnen auf den Plätzen, vor Lokalen und in den Klubs bis in die frühen Morgenstunden fortsetzte.