Historikerin Verena Wagner
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Neuerscheinung

Jüdisches Leben in Bad Ischl

Ein vom Oberösterreichischen Landesarchiv herausgegebenes Buch beleuchtet die jüdische Gemeinde in Bad Ischl in Oberösterreich. Autorin Verena Wagner zeigt dabei, dass es sich stets um eine sehr kleine Community gehandelt hat.

Geprägt war diese durch die große Entfernung zur Kultusgemeinde in Linz und in der Folge durch Integration in die christliche Gesellschaft sowie durch den Fremdenverkehr. Und das Buch klärt ein Rätsel um in Linz gelagerte jüdische Grabsteine. Gestern Abend wurde das Buch „Eine Jüdische Gemeinde in Bad Ischl“ im Oberösterreichischen Landesarchiv in Linz präsentiert.

Die Autorin listet chronologisch und teils namentlich die Ansiedlung von Jüdinnen und Juden in Bad Ischl von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart auf. Als 1891 ein eigenes Kultusgesetz („Israelitengesetz“) geschaffen wurde, zählte die Gruppe gerade einmal 15 Personen, auch später dürften es kaum jemals mehr als 60 gewesen sein.

Im Bereich der Medizin, Handel und Gastgewerbe tätig

Unter den ersten waren Kur- und Saisonärzte. Denn da in Bad Ischl sowohl der Kaiser als auch zahlreiche andere illustre Persönlichkeiten ihre Sommerfrische verbrachten, war die Stadt bereits in der k&k-Zeit ein beliebter Kurort und eine Tourismushochburg.

Viele jüdische Bewohnerinnen und Bewohner waren auch im Handel tätig und im Gastgewerbe. Als einer der ersten arbeitete sich Ende des 19. Jahrhunderts David Sonnenschein zu einem erfolgreichen Hotelier hoch. Besonders hilfreich für sein Geschäft war, dass er als einziger koschere Küche anbot – für strenggläubige Gäste ein wichtiger Faktor.

Cover des Buches „Eine jüdische Gemeinde in Bad Ischl“ von Verena Wagner, herausgegeben vom Oberösterreichischen Landesarchiv
Oberösterreichisches Landesarchiv

Verena Wagner: Eine Jüdische Gemeinde in Bad Ischl

herausgegeben vom Oö. Landesarchiv, ISBN: 978-3-902801-49-4, 327 Seiten

Eine Art kleine Diaspora

Nicht nur die Essensvorschriften waren im christlichen Umfeld schwer einzuhalten – ganz allgemein lebte die jüdische Gemeinde in Bad Ischl in einer Art kleinen Diaspora, weit weg von der Glaubensgemeinde in Linz. Dort war man froh, wenn die „Auswärtigen“ sich in religiösen Belangen selbst versorgten und nicht allzu viele Ansprüche wie etwa den Wunsch nach Religionsunterricht stellten.

Zwar gab es in Bad Ischl einen eigenen jüdischen Bestatter, aber begraben wurden die Jüdinnen und Juden auf dem katholischen Friedhof. Auch eine Synagoge oder ein offizielles Bethaus gab es nicht. Für Gottesdienste stellte etwa die Familie Sonnenschein Räumlichkeiten in ihrem Hotel zur Verfügung.

Zahl der Shoah-Opfer nicht bekannt

Wie viele Bad Ischler Jüdinnen und Juden Opfer der Shoah wurden, kann nicht genau beziffert werden. Von jenen, die im März 1938 dort wohnten, kamen zwölf während des NS-Regimes gewaltsam ums Leben, vier Überlebende wohnten nach 1945 wieder in Bad Ischl. Es entwickelte sich dort allmählich wieder eine kleine jüdische Gemeinde, allerdings großteils aus neu zugezogenen, etwa aus Lagern befreiten Menschen.

Rätsel um Grabsteine in Linz gelöst

Gelöst wurde im Zuge der Recherchen zu dem Buch die Frage, warum an der Mauer des Linzer jüdischen Friedhofs eine Reihe von Grabsteinen lehnt: Sie stammen aus dem zerstörten jüdischen Friedhofsteil in Bad Ischl. Nachdem sie einige Zeit bei einem Steinmetz gelagert waren, wurden sie 1950 nach Linz transferiert. So konnte mittlerweile etwa die Urenkelin des ehemaligen israelitischen Bestatters in Bad Ischl erstmals den Grabstein ihrer Urgroßmutter besuchen.