Kind in Afghanistan trägt einen Sack auf seinen Schultern (20.5.2019)
FARSHAD USYAN / AFP / picturedesk.com
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Global Slavery Index

Zahl der Opfer von moderner Sklaverei stark gestiegen

Die Zahl der Menschen, die zu Opfern moderner Sklaverei werden, ist Schätzungen zufolge in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Das geht aus dem jüngsten Global Slavery Index der Menschenrechtsorganisation Walk Free hervor, der heute in London veröffentlicht wurde.

Demnach sind weltweit 50 Millionen Menschen in moderner Sklaverei gefangen – das sind zehn Millionen mehr als noch vor fünf Jahren. Besonders in der Gefahr, ausgebeutet zu werden, sind dem Bericht zufolge Menschen, die wegen Klimawandel, Konflikten und intensiver Wetterereignisse ihre Heimat verlassen müssen. Auch eine weltweite Einschränkung der Frauenrechte, sowie wirtschaftliche und soziale Auswirkungen der Corona-Pandemie verschärfen demnach die Situation.

Ausbeutung quer durch die Länder der Welt

Am verbreitetsten ist die moderne Sklaverei dem Bericht zufolge aber in Nordkorea, Eritrea, Mauretanien, Saudi-Arabien, in der Türkei, in Tadschikistan, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Russland, Afghanistan und Kuwait. Doch auch in den wichtigsten Industrie- und Schwellenländern der G20 gibt es viele Menschen, die ausgebeutet werden. Allein in Indien wird dem Bericht zufolge von einer Zahl von 11 Millionen ausgegangen; 5 Millionen sind es demnach in China, 1,8 Millionen in Russland, 1,3 Millionen in der Türkei und 1,1 Millionen in den Vereinigten Staaten. Laut Bericht sollen in Österreich geschätzte 17.000 Menschen von moderner Sklaverei betroffenen. Am wenigsten Betroffene gibt es – gemessen an der gesamten Wohnbevölkerung des Landes – in der Schweiz, Norwegen, Deutschland, in den Niederlanden und Schweden. Das sind jene Länder, deren Regierungen verstärkt auf moderne Sklaverei mit Maßnahmen bzw. Gesetzen reagieren.

Frau, die in einer Bekleidungsfabrik in Dhaka, Bangladesch, arbeitet
MUNIR UZ ZAMAN / AFP / picturedesk.com

„Sklaverei durchdringt jeden Aspekt unserer Gesellschaft“

Kritisch sehen die Menschenrechtlerinnen und Menschenrechtler aber auch den Import von Gütern, die häufig in Verhältnissen hergestellt werden, die auf Zwang oder Abhängigkeit basieren. Sogenannte Risikoprodukte werden demnach jedes Jahr im Wert von 468 Milliarden US-Dollar (umgerechnet etwa 434 Milliarden Euro) in die G20-Staaten importiert. Dazu gehören unter anderem Elektronik, Bekleidung, Textilien, Rindfleisch und Fisch, Kaffee und Palmöl. Die G20 müssten sich daher über ihre Lieferketten indirekt die Hälfte aller Opfer moderner Sklaverei zurechnen lassen, glauben die Menschenrechtlerinnen und Menschenrechtler. „Die moderne Sklaverei durchdringt jeden Aspekt unserer Gesellschaft. Sie ist in unsere Kleidung eingewoben, beleuchtet unsere Elektronik und würzt unser Essen“, sagte die Gründungsdirektorin von Walk Free, Grace Forrest einer Mitteilung zufolge.

Regierungen gefordert

Neben Gesetzen, um moderne Sklaverei in Lieferketten zu unterbinden, fordern die Menschrechtlerinnen und Menschenrechtler von Regierungen auch die Bekämpfung moderner Sklaverei stärker in den Bereichen humanitäre Hilfe und beim Aufbau einer grünen Wirtschaft einzubeziehen. Bei der Zusammenarbeit mit repressiven Regimen müsse darauf geachtet werden, dass Handel, Geschäfte und Investitionen nicht zu staatlich verordneter Zwangsarbeit beitragen oder davon profitieren. Zudem müssten Kinder, insbesondere Mädchen, besser durch das Ermöglichen von Schulbildung und das Verhindern von Zwangsehen geschützt werden.

Die Organisation Walk Free mit Sitz in Australien greift ihrer Webseite zufolge für ihren Bericht auf Einschätzungen von Expertinnen und Experten aus der Statistik, Kriminologie, Entwicklungshilfe sowie von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten zurück.