(v.l.n.r.): Pablo de Greiff, Erik Møse (Vorsitzender der Untersuchungskommission) und Jasminka Džumhur während eines Pressegesprächs der UNO-Untersuchungskommission zu russischen Menschenrechtsverletzungen in Wien. (15.9.2022)
STEFAN VOSPERNIK / APA / picturedesk.com
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UN-Menschenrechtsrat

Schwere Vorwürfe gegen Moskau im Ukraine-Bericht

Russische Truppen haben im Ukraine-Krieg laut einer Untersuchungskommission des UNO-Menschenrechtsrats zahlreiche Kriegsverbrechen begangen. Dazu zählen vorsätzliche Tötungen, Angriffe auf Zivilistinnen und Zivilisten, rechtswidrige Gefangenschaft, Vergewaltigung und die Verschleppung von Kindern.

So heißt es in dem gestern in Genf vorgelegten Bericht. Auch die Angriffe auf die Energieinfrastruktur der Ukraine und der Einsatz von Folter könnten Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen.

Deportation von Kindern als Kriegsverbrechen

Der zwangsweise Transfer ukrainischer Kinder nach Russland oder in von Russland kontrollierte Gebiete der Ukraine stellt nach Einschätzung von UNO-Ermittlerinnen und -Ermittlern ein Kriegsverbrechen dar. Die Deportation von Kindern im großen Stil „verstößt gegen internationales humanitäres Recht und kommt einem Kriegsverbrechen gleich“, heißt es. Nach Angaben der ukrainischen Regierung wurden bis Februar mehr als 16.000 Kinder aus der Ukraine nach Russland oder in russisch kontrollierte Gebiete verschleppt.

Kindern wird russische Staatsbürgerschaft verliehen

Das Ermittlerteam verwies auf Hinweise, wonach russische Behörden ukrainische Kinder in Kinderheimen oder Pflegefamilien unterbringen und ihnen die russische Staatsbürgerschaft verleihen. Unter anderem habe der russische Präsident Wladimir Putin einen Erlass unterzeichnet, wonach Kinder unter bestimmten Bedingen in vereinfachtem Verfahren russische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger werden können.

Fall der Deportation von 164 Kindern

Die Expertinnen und Experten untersuchten nach eigenen Angaben detailliert einen Fall, in dem 164 Kinder und Jugendliche zwischen vier und 18 Jahren aus den ukrainischen Regionen Donezk, Charkiw und Cherson deportiert wurden. Den Eltern und den Kindern selbst sei von den russischen Sozialbehörden mitgeteilt worden, dass die Kinder in Pflegefamilien kommen oder adoptiert werden sollten. Die Kinder hätten Furcht gehabt, dauerhaft von ihren Familien getrennt zu werden.

Für die Ermittlungen reiste die Kommission nach eigenen Angaben acht Mal in die Ukraine und besuchte 56 Städte und Siedlungen. Außerdem seien Gräber, Haft- und Folterstätten inspiziert sowie Fotos und Satellitenbilder ausgewertet worden. Insgesamt seien 600 Betroffene befragt worden. Laut UNO-Zahlen wurden seit Beginn des Krieges mehr als 8.000 Zivilistinnen und Zivilisten getötet und mehr als 13.000 verletzt. Diese Zahlen spiegelten aber wohl nur einen Teil der wirklichen Zahlen wider, hieß es.

Verbrechen oft im Rahmen von Hausdurchsuchungen

„Viele der vorsätzlichen Tötungen, rechtswidrigen Einsperrungen, Vergewaltigungen und sexuellen Gewalttaten wurden im Rahmen von Hausdurchsuchungen begangen, die darauf abzielten, Anhänger der ukrainischen Streitkräfte ausfindig zu machen oder Waffen zu finden“, stellte der Bericht fest. Die willkürlich verhafteten Menschen seien von den russischen Streitkräften oft in überfüllten Zellen unter schlimmsten Umständen gefangen gehalten worden. „In einem Fall starben zehn ältere Menschen an den Folgen der unmenschlichen Bedingungen in einem Schulkeller, während die anderen Inhaftierten, darunter auch Kinder, denselben Raum mit den Leichen der Verstorbenen teilen mussten“, hieß es weiter. Bei Vergewaltigungen seien Familienmitglieder, darunter auch Kinder, gezwungen worden, dem Verbrechen zuzusehen.

Kritik an ukrainischen Streitkräften

Auch die ukrainischen Streitkräfte seien in einigen Fällen zu kritisieren. Willkürliche Angriffe und zwei Fälle von Folterung russischer Kriegsgefangener seien Kriegsverbrechen, so die Kommission.

Verfolgung der StraftäterInnen

Die Kommission drängt auf die Verfolgung der Straftäter. Eine Liste der mutmaßlichen Verantwortlichen sei erstellt und beschränke sich nicht nur auf das Militär, sagte der norwegische Vorsitzende der Kommission, Erik Møse. Das Mandat der Kommission umfasse vielmehr alle Ebenen. „Wir haben Fortschritte bei der Identifizierung von Personen und zum Beispiel Einheiten gemacht“, sagte Kommissionsmitglied Pablo de Greiff. Diese Liste werde dem UNO-Hochkommissar für Menschenrechte übergeben und sei nicht Teil des Berichts, hieß es.