LH VPNÖ-Chefin Johanna Mikl-Leitner und FPÖ-Landespartei- und -klubobmann Udo Landbauer während eines Doorsteps nach Verhandlungen von ÖVP und FPÖ zum Thema Finanzen in St. Pölten. (10.3.2023)
GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com
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Nach NÖ-Wahl

Kritik an schwarz-blauer Zusammenarbeit

Das schwarz-blaue Bündnis in Niederösterreich stößt auf Kritik. Künstlerinnen und Künstler in Niederösterreich positionieren sich gegen die neue Koalition genauso wie Integrationsvereine und der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Oskar Deutsch.

SOS Mitmensch rief gemeinsam mit weiteren Organisationen zu einer Protestkundgebung am Donnerstag, dem Tag der konstituierenden Landtagssitzung, in St. Pölten auf. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner konstatiert bei der FPÖ „menschenverachtende Politik und Hetze“, der rote Klubobmann in Niederösterreich, Hannes Weninger, sieht in der Vereinbarung „kein Renommee“ für das Bundesland. Für die Grüne Landessprecherin Helga Krismer wird das „Land in die Vergangenheit“ zurückkatapultiert.

SPÖ

„Menschenverachtende Politik und Hetze“

„ÖVP und FPÖ finden in Niederösterreich im Rekordtempo zueinander. Kickl, Waldhäusl, Landbauer, die gesamte FPÖ stehen für eine menschenverachtende Politik und Hetze“, teilte Rendi-Wagner via Twitter mit. Die Freiheitlichen dürfen „kein Partner für die Sozialdemokratie“ sein, betonte sie. Ähnlich äußerte sich SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch per Aussendung. Für ihn ist das Bündnis ein „gewaltiger Rückschritt für Niederösterreich und eine gefährliche Drohung für ganz Österreich“.

„Pakt der Unehrlichkeit“

„Eine politische Zusammenarbeit, die mit einem Jein beginnt, kann und wird nicht gut enden“, kritisierten der designierte SPÖ-Landesparteivorsitzende Sven Hergovich und SPÖ-Landesgeschäftsführer Wolfgang Zwander. „Die Menschen in Niederösterreich werden einen hohen Preis für diesen Pakt der Unehrlichkeit zahlen.“ Das Ergebnis dieses „Johanna-Mikl-Leitner-Herbert-Kickl-Pakts der sozialen Kälte wird eine Politik sein, die unehrlich, unglaubwürdig und unsozial ist“, wurde kritisiert. Die SPÖ werde alles tun, um den Schaden für Niederösterreich durch diesen Pakt „mit starker und konstruktiver Oppositionsarbeit so klein wie möglich zu halten“, kündigte Hergovich an.

„Kickl-Mikl-Pakt“

„Die ÖVP hat mit Landbauer, Waldhäusl und Co. handzahme Bettvorleger für den Erhalt ihres absolutistischen Machtanspruches gefunden“, befand Weninger in einer Aussendung zum Bündnis, das er als „Kickl-Mikl-Pakt“ und „Holzhacker-Koalition“ bezeichnete. Die SPÖ, die bis zur Vorwoche selbst längere Zeit mit der ÖVP vergebens ein Übereinkommen verhandelt hat, werde nun im Landtag „Punkt für Punkt Mehrheiten für ein soziales und demokratisches Niederösterreich suchen“.

Grüne

„Machtverliebtheit“ von ÖVP und FPÖ

Volkspartei und Freiheitlichen gehe es um Machtverliebtheit, sagte Helga Krismer von den Grünen Niederösterreich. Unter diesen Vorzeichen könnten die Grünen Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) nicht zur Landeshauptfrau wählen, wurde in einer Aussendung angekündigt. „Wer auf die Idee kommt, mit Klimaleugnern, Wissenschaftsverweigerern, Kunstfeinden und Hetzern einen Pakt einzugehen, hat die Liebe zum Land verloren“, meinte Krismer über die Obfrau der Volkspartei Niederösterreich. Kritik kam auch von Grünen-Vizekanzler Werner Kogler. Mikl-Leitner sage, dass ihre Koalition die Gesellschaft wieder zusammenführen soll, so Kogler via Twitter: „Sie wird noch lange erklären müssen, wie das an der Seite jener gelingen soll, die Erdbebenopfer verunglimpfen, Jugendlichen ihre österreichische Heimat absprechen und Nazi-Liederbücher verherrlichen.“

NEOS

„Ibiza-Koalition ist eine Reise in die Vergangenheit“

Kritische Worte kamen auch von NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos. Er warnte in einer Aussendung „vor der drohenden Rückkehr der rechtspopulistischen und korrupten schwarz-blauen Koalition auch im Bund und nach der Landtagswahl in Salzburg“. Die Volkspartei habe mit dem Pakt mit der Landbauer-Waldhäusl-FPÖ bewiesen, dass sie vor nichts zurückschrecke und sich auf Biegen und Brechen an die Macht klammere. Die „Ibiza-Koalition ist eine Reise in die Vergangenheit“, meinte NEOS-Landessprecherin Indra Collini in einer Aussendung. „Dass ÖVP und FPÖ bei den Themen Bildung, Transparenz und Klimawandel in dieser Legislaturperiode Meter machen werden, ist nicht zu erwarten. Umso wichtiger wird unsere Rolle als Opposition sein bei diesen Themen nicht locker zu lassen.“ Weiters erklärte Collini: „Eine Landeshauptfrau, die nur von den eigenen Abgeordneten gewählt wird, kann keine tragfähige Basis für die nächsten fünf Jahre aufbauen.“

ÖVP

Gedankengut mit Menschenbild der ÖVP unvereinbar

Kritik kam auch aus den Reihen der Volkspartei: „Als Niederösterreicher bedauere ich, dass es zu einer Einigung mit der FPÖ gekommen ist. Landbauer und Waldhäusl übertrumpfen einander mit Gedankengut, das mit dem Menschenbild der ÖVP unvereinbar ist“, teilte Othmar Karas, Erster Vizepräsident des Europaparlaments, via Twitter mit. „Ich kann aber auch die SPÖ nicht aus ihrer Mitverantwortung entlassen. Taktik darf nicht über das Land gestellt werden“, meinte Karas, der sich für ein Ende des Proporzes aussprach.

Protestaktion und Kundgebung geplant

Vor der konstituierenden Landtagssitzung am Donnerstag, dem 23. März plant SOS Mitmensch gemeinsam mit anderen Initiativen eine Protestaktion vor dem Landhaus gegen die Zusammenarbeit von ÖVP und FPÖ. "Wir sehen nicht schweigend zu, wie ideologische Rechtsextremisten und Rassisten mit weitreichender Macht ausgestattet werden“, teilte die Menschenrechtsorganisation heute in einer Aussendung mit. „Wir sehen die Kundgebung als Mahnruf, dass es für eine Demokratie nicht egal ist, wem eine Brücke zur Macht gebaut wird. Es ist, nach dem Befördern von Waldhäusl ins Integrationsressort, bereits der zweite schwere Sündenfall von Johanna Mikl-Leitner“, sagte Alexander Pollak, Sprecher von SOS Mitmensch, in Richtung der niederösterreichischen Landeshauptfrau. Für Samstag hat die „Plattform für eine menschliche Asylpolitik“ am Wiener Karlsplatz eine Kundgebung samt Konzerten angekündigt.

KünstlerInnen gegen Bündnis

Bereits am Mittwoch sprachen sich mehrere Künstlerinnen und Künstler in Niederösterreich gegen das Bündnis in einem an Mikl-Leitner gerichteten Offenen Brief aus. „Wir brauchen ein Niederösterreich, dem sich alle Menschen als Zugehörig empfinden. Das ‚Miteinander‘ darf hier nicht nur für Menschen mit Muttersprache ‚Niederösterreichisch‘ gelten. Wer jungen Menschen mit Migrationshintergrund ihre ‚Daseinsberechtigung‘ abspricht, antisemitisches Liedgut herumliegen hat, Asylwerber hinter Stacheldraht sperren will, Solidarität mit den EU-Sanktionen gegen Russland verweigert, Wissenschafter verhöhnt und Verschwörungstheorien verbreitet, politische Mitbewerber beflegelt, darf in Niederösterreich keine politische Macht ausüben“, heißt es in dem Schreiben, das unter anderem von den Autoren Robert Menasse und Peter Turrini, der Kulturschaffenden Anna-Maria Krassnigg sowie Schauspieler Robert Palfrader und Josef Hader unterzeichnet wurde.

IKG-Präsident Deutsch gegen Zusammenarbeit

Ähnlich äußerte sich der Präsident der auch für Niederösterreich zuständigen Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), Oskar Deutsch. Er forderte via Gastkommentar im „Standard“ (Onlineausgabe) den Abbruch der schwarz-blauen Verhandlungen. Mikl-Leitner solle „die Gespräche mit dem politischen Arm der deutschnationalen Burschenschaften“ sofort beenden und sich an die anderen im Landtag vertretenen Parteien wenden. Die SPÖ sei aufgerufen, „sich ihrer antifaschistischen Rolle bewusst zu werden und den Konsens zu suchen“. Ein „‚Njet‘ aus parteitaktischen Überlegungen“ bedeute einen Schaden für ganz Österreich.

Integrationsvereine sehen Demokratie in Gefahr

Der Verein „Willkommen – zum Finden einer neuen Heimat“ sieht Medienberichten zufolge in einem Offenen Brief gemeinsam mit anderen niederösterreichischen Integrationsorganisationen die Demokratie in Gefahr und fordert einen Verhandlungsstopp.