Joško Vlasich mit der Band „Bruji“ bei der Tagung „Macht der Musik. Minderheitenpolitische Interventionen“ der MMRC und Initiative Minderheiten
David Višnjić
David Višnjić
Tagung

Musik als minderheitenpolitische Intervention

Unter dem Titel „Macht der Musik. Minderheitenpolitische Interventionen“ luden das Music and Minorities Research Center (MMRC) und die Initiative Minderheiten vergangenes Wochenende an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien zu einer äußerst politischen Tagung.

Künstlerinnen und Künstler stellen sich gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Diskussion, welche politische Funktion Musik für die Communitys der österreichischen Minderheiten hat. Motor der Veranstaltung war die Wittgenstein-Preisträgerin des Jahres 2018, die Musikethnologin Ursula Hemetek, deren Auswahl der geladenen Teilnehmerinnen und Teilnehmer alle Facetten österreichischer Intersektionalität widerspiegelte.

Esra Özmen von „EsRap“ bei der Diskussion zum Thema „Musik als Mittel der politischen Intervention“ bei der Tagung „Macht der Musik. Minderheitenpolitische Interventionen“ der MMRC und Initiative Minderheiten
Sabine Schwaighofer

Politische Wirkung und Auswirkung

Esra Özmen, Rapperin des deutsch-türkischsprachigen Duo EsRap, Isabel Frey, Interpretin jiddischer Revolutions- und Widerstandslieder, sowie Joško Vlasich, Mitbegründer und Sänger der burgenländischen Krowodn-Rockband „Bruji“, sprachen mit Malik Sharif vom MMRC über die politische Wirkung und Auswirkungen von Musik und Liedern auf die Communitys und darüber hinaus. Vlasich berichtete, dass auch innerhalb der Volksgruppe anfangs der „Krowoden–Rock“ nicht auf große Gegenliebe stieß und erst durch die Jahrzehnte zum Identifikationsfaktor für Burgenlandkroatinnen und -kroaten wurde.

Lens Kühleitner und Katrin Blantar bei der Diskussion zum Thema  „Musik als Mittel der Repräsentation und Identifikation“ bei der Tagung „Macht der Musik. Minderheitenpolitische Interventionen“ der MMRC und Initiative Minderheiten
Sabine Schwaighofer

Musik als Identitfikationsmittel

Der Vorstand des Instituts für Volksmusikforschung und Ethnomusikologie sowie Angehöriger der burgenlandkroatischen Volksgruppe, Marko Kölbl, diskutierte mit der 2006 nach Österreich geflohene kurdische Sängerin Sakina Teyna, dem Musiker Filip Tyran, Katrin Blantar, Künstlerin aus der Wiener Voguing-Community, und Lens Kühleitner von Pink Noise, dem Verein zur Förderung feministisch popkultureller Aktivitäten, die Rolle von Musik bei der Bildung von kollektiver Identitäten. Filip Tyran klagte über die Folklorisierung der Kultur der kroatischen Volksgruppe im Burgenland.

Diversifizierung in der Musikausbildung

Wie sehr eine Diversifizierung der Musikausbildung in Österreich vonnöten sei und welche Wege zu einer musikalischen Spiegelung der Gesellschaft führen könnten, diskutierten der palästinensische Oud–Spieler Marwan Abado, die Gesangsprofessorin Nataša Mirković sowie der Kärntner slowenische Komponist und Pädagoge Eduard Oraže.

Nataša Mirković und Marko Kölbl bei der Diskussion zum Thema „Redefinitionen von Musik und Tanz im Bildungskanon“ bei der Tagung „Macht der Musik. Minderheitenpolitische Interventionen“ der MMRC und Initiative Minderheiten
Sabine Schwaighofer

Gemeinschaftsbildender Faktor von Musik

In einer letzten Gesprächsrunde diskutierten Anja Brunner, Leiterin des MMRC-Projekts „Women Musicians from Syria“, Julian Gorbach, der als Kind gehörloser Eltern die Disco für Gehörlose in Dornbirn initiiert hat, Marie Thérèse Kiriaky vom NAI Oriental Orchestra, Gabriela Novak-Karall vom Folkloreensemble der Burgenland-Kroaten „Kolo Slavuj“ und der Ethnomusikologe Babak Nikzat, in welcher Form die Grenzen zwischen Minderheiten und die Barrieren zur Mehrheit überschritten werden können. Vor allem für gehörlose Menschen sei der uneingeschränkte Zugang zu Musik eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe.

Babak Nikzat und Julian Gorbach bei der Diskussion zum Thema „Musik als Mittel zur Schaffung von Gemeinschaft/Gemeinsamkeit“ bei der Tagung „Macht der Musik. Minderheitenpolitische Interventionen“ der MMRC und Initiative Minderheiten
Sabine Schwaighofer

Jiddische Protestlieder, Voguing und Improvisation in der Musik des Nahen Ostens

Ergänzend wurden in mehreren Workshops die diskutierten Themen mit Leben erfüllt: so wurden etwa jiddische Protestlieder performt; die queere Ballroom-Community in Österreich und insbesondere die Tanzform Voguing standen im Zentrum der Tanzstunden von Karin Cheng („Karion Dive“) und Josefin-Marie-Christin Sternbauer („Harmony Dive“). In einer theoretischen Einführung wurde das Bewegungsvokabulars von Voguing erklärt, welches in den 1970er-Jahren von marginalisierten Transfrauen im New Yorker Harlem begründet wurde. Theoretische und praktische Einblicke in die Kunst der Improvisation in verschiedenen Musikstilen des Nahen Ostens boten der syrisch-kurdische Musiker Salah Ammo und der iranisch-kurdische Musiker Hamidreza Ojaghi. Krönender „Live Act“ der zweitägigen Veranstaltung war das Konzert der Rockband „Bruji“.