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Studie

Handlungsbedarf bei Inklusion von Romnja und Roma

Seit 2011 gibt es in Österreich eine nationale Strategie zur Stärkung der sozialen Inklusion von Romnja und Roma, 2016 wurde sie gemeinsam mit der Community evaluiert und erweitert. Nun zeigt eine aktuelle Studie zeigt, dass es enormen Handlungsbedarf gibt.

Die Evaluierung ist Teil der Umsetzung jener Strategie, die auf den Empfehlungen der EU-Kommission zur Verbesserung der Lage der Romnja und Roma in Europa basiert.

Erstmals Befragung von Volksgruppenangehörigen

Als Schwerpunkte der Strategie wurden zunächst Inklusion in den Bereichen Bildung, Arbeitsmarkt, Gesundheit und Wohnen festgelegt. 2017 kamen noch die Schwerpunktthemen Mädchen und Frauen und die Stärkung der Jugend hinzu, außerdem das Zurückdrängen von Antiziganismus. Für die „Studie zur Evaluierung der nationalen Strategie zur Inklusion der Rom:nja in Österreich“, auch SENSIRO-Forschungbericht genannt, wurden nun laut Mitautor Christoph Reinprecht vom Soziologie-Institut der Universität Wien u.a. erstmals 400 in Österreich lebende Romnja und Roma zu ihren Erfahrungen befragt.

Fehlende Datengrundlage & Einbinden der Volksgruppe

Bei der Umsetzung der Strategie hapert es laut der SENSIRO-Studie noch in einigen Bereichen: Neben einer gesicherten Datengrundlage fehlt demnach sowohl eine Kommunikationsstrategie, die auf eine schwer erreichbare Zielgruppen abzielt, als auch eine Strategie, wer sich auf den jeweiligen Verwaltungs- und Politikebenen für die Umsetzung verantwortlich fühlt. Außerdem wäre laut Studie eine erfolgreiche und nachhaltige Umsetzung nur möglich, wenn Romnja und Roma selbst in Entwicklung und Umsetzung der Strategie eingebunden sind.

Bürokratische Hürden

Auch die Bürokratie hemmt den Erfolg. Programme für die soziale Inklusion der Romnja und Roma müssten nämlich so organisiert sein, dass sie von den für ihre Umsetzung verantwortlichen Vereine auch bewältigbar sind. Beispiel Arbeitsmarkt: Hier waren die vom Europäischen Sozialfonds (ESF) und Arbeitsministerium getragenen Programme laut Studie so komplex und mit bürokratischem Aufwand verbunden, dass Vereine davon überfordert sind. Einige Projekte kleinerer Vereine wurden deshalb auch abgebrochen.

Leben unter extrem prekären Bedingungen

Bestimmte Bereiche oder Themen wie Wohnen oder Gesundheit wurden laut der Studie vor allem seit der Aktualisierung der Strategie 2017 vernachlässigt, obwohl diese nicht zuletzt im Zusammenhang mit den bisher wenig fokussierten Themen wie Armut und materiellen Lebensbedingungen von zentraler Bedeutung seien. Vor allem in westlicheren Bundesländern müssten viele Romnja und Roma unter extrem prekären Bedingungen leben und seien auf niederschwellige Angebote wie die Kontaktprojekte der Caritas oder Unterstützung von NGOs angewiesen.

Good-Practice-Beispiele im Bildungsbereich

Im Bildungsbereich nennt der Bericht zwar Good-Practice-Beispiele wie die Schulmediation des Vereins Romano Centro in Wien oder außerschulische Bildungsangebote des Frauen-Vereins Vivaro. Demgegenüber stehen allerdings generelle Ungleichheit und eine Marginalisierung der Sprache der Romnja und Roma. Ein Hebel für Verbesserungen wären laut Studie Aus- und Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer sowie Lern- und Unterrichtsmaterialien.

Jenisch kommt im Bildungssystem nicht vor

In Bezug auf das Bildungssystem wird festgehalten, dass die Sprachen Jenisch gar nicht repräsentiert ist. Dass das Jenische berücksichtigt wird, gehe auf die Diskriminierung der jenischen Angehörigen zurück: „Was die Jenischen zu Adressat:innen der Strategie macht, ist vor allem die Betroffenheit von antiziganistischen Vorurteilen und Diskriminierungen, nicht nur heute, sondern auch historisch“, heißt es in der Studie.

Diskriminierung in öffentlichen Einrichtungen

Diskriminierung erleben Romnja und Roma laut Studie am häufigsten im Umgang mit Behörden und öffentliche Einrichtungen. Besonders betroffen sind dabei Ältere, Romnja und Roma mit Migrationsgeschichte und Volksgruppenangehörige in Westösterreich. Bewusstseinsbildung, Sensibilisierung und Aufklärung finde hier aber bisher nicht flächendeckend oder systematisch statt.

Verankerung von Antiziganismus in Lehrplänen

Antiziganismus ist laut der Studie in Österreich allerdings ein generelles Problem, Stereotype und Ausschließen dieser Gruppe seien „tief in die Strukturen unserer Gesellschaft eingeschrieben“. Neben verpflichtenden Antiziganismus-Schulungen für Personal im öffentlichen Dienst plädieren die beiden Studienautorinnen und der Studienautor auch für eine Verankerung von Antiziganismus in den Lehrplänen aller Bildungseinrichtungen und eine „ehrliche und kritische Auseinandersetzung in allen Bereichen der Gesellschaft“. Gleichzeitig müsse den Romnja und Roma das Artikulieren und Durchsetzen ihrer Anliegen besser ermöglicht werden.