Menschen gehen bei einem Bürogebäude vorbei (7.10.2020)
CHRISTOPHE ARCHAMBAULT / AFP / picturedesk.com
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Studie

Berufseinstieg für geflüchtete Frauen erschwert

Geflüchtete Frauen stehen in Österreich vor Hürden, wenn es um die Integration in den Arbeitsmarkt geht. Ihr Berufseinstieg wird durch Sorge- und Familienarbeit, das Fehlen von Betreuungsmöglichkeiten, Diskriminierung aufgrund des Kopftuchs und fehlende berufliche Erfahrungen erschwert.

Dies zeigt eine Studie von Forscherinnen und Forschern der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien über die Situation geflüchteter Frauen aus Syrien und Afghanistan.

Zahl geflüchteter Frauen

Während 2015 und 2016 die überwiegende Mehrheit der Asylanträge in Österreich von Männern gestellt wurden, kam es in den darauffolgenden Jahren zu Familienzusammenführungen und damit zu einem Anstieg der Zahl geflüchteter Frauen. Von den in Österreich asylsuchenden Personen – ihre Zahl nahm zwischen 2015 und 2019 von über 88.000 auf knapp 13.000 ab und stieg dann wieder auf knapp 15.000 (2020) und rund 34.000 (Jänner-November 2021) – waren zu Beginn des Beobachtungszeitraums gut ein Viertel Frauen, ihr Anteil stieg dann auf 40 Prozent an und lag 2021 bei unter 20 Prozent.

550 Frauen syrischer und afghanischer Herkunft befragt

Wie die geflüchteten Frauen in Österreich leben, welche Ressourcen sie mitbringen und mit welchen Herausforderungen sie konfrontiert sind, haben Judith Kohlenberger und Sophia Heyne vom Institut für Sozialpolitik der WU sowie Bernhard Rengs und Isabella Buber-Ennser vom Institut für Demographie der ÖAW im Auftrag des Arbeitsmarktservice untersucht. Insgesamt wurden rund 550 Frauen befragt, die zwischen 20 und 44 Jahre alt waren und zwischen 2002 und 2019 nach Österreich kamen. 52 Prozent hatten syrische und 48 Prozent afghanische Staatsbürgerschaft. Die Studie ist vor kurzem in Buchform erschienen.

Kohlenberger / Heyne / Rengs / Buber-Ennser: Soziale Inklusion geflüchteter Frauen. Zur Rolle der Familie und Familienarbeit
Nomos Verlag

Judith Kohlenberger, Sophia Heyne, Bernhard Rengs, Isabella Buber-Ennser: „Soziale Inklusion geflüchteter Frauen. Zur Rolle der Familie und Familienarbeit“, Nomos Verlag, 135 Seiten, 34 Euro; ISBN 978-3-8487-8734-0

Frauen öfter von Mehrfachbelastungen betroffen

Als zentralen Befund nennt heute eine Aussendung der ÖAW, dass die Arbeitsmarktintegration von geflüchteten Frauen herausfordernder ist als jene von geflüchteten Männern. Sie hätten oft ebenso hohe, teilweise sogar höhere Bildungsabschlüsse als Männer, Mehrsprachigkeit sei bei ihnen weit verbreitet, dennoch seien sie seltener erwerbstätig. „Die Gründe dafür sind vielfältig und bis dato wenig erforscht“, schreiben die Wissenschafterinnen und Wissenschafter in ihrer Arbeit. Geflüchtete Frauen sind der Studie zufolge öfter von Mehrbelastungen betroffen als Männer. Die Kinderbetreuung stelle sie bei gleichzeitig fehlenden sozialen und familiären Netzwerken vor große Herausforderungen.

Viele ohne kurzfristigen Betreuungsmöglichkeiten

„45 Prozent der befragten geflüchteten Frauen gaben an, keine kurzfristige Betreuungsmöglichkeit für ihre Kinder außerhalb der Kernfamilie zu haben, da Großeltern und Verwandte meist im Ausland leben“, erklärte Buber-Ennser. Dies führe häufig zu einem „Gefühl der Überlastung“ und chronischem Stress und bindet zeitliche Ressourcen. Das Gefühl der Überlastung werde durch die tagtägliche „Ankommensarbeit“ in Österreich, die Frauen für die gesamte Familie leisten, die eigene – auch ökonomische – Integration sowie die Familien- und Hausarbeit verstärkt. Verschärfend kämen noch sprachliche Hürden, Veränderungen des Alltagslebens nach der Flucht sowie Ausgrenzungserfahrungen dazu.

Erweiterung der persönlichen Handlungsoptionen

Andererseits würden viele Frauen ihr Leben in Österreich als eine Erweiterung der persönlichen Handlungsoptionen sowie ihrer Bildungs- und Berufschancen sehen, zeigt die Studie. Die Mehrbelastung gehe also auch mit einem Zugewinn an Eigenverantwortung, Selbstständigkeit und persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten einher.

Flächendeckende und niederschwellige Kinderbetreuung zentral

Wenn Kinder Schulen, Betreuungsangebote oder Sportvereine besuchen, habe dies einen positiven Beitrag auf die Integration von geflüchteten Frauen, zeigen die Forscherinnen und Forscher. Durch dabei entstehende Freundschaften könnten sich die Sozialkontakte von Müttern nachhaltig erhöhen. Um überhaupt in Kontakt zu kommen, sei allerdings eine flächendeckende und niederschwellige Kinderbetreuung zentral. Kohlenberger verweist darauf, dass die Studienergebnisse auch im Hinblick auf die Geflüchteten aus der Ukraine besonders relevant seien, da ein Großteil davon Frauen und Kinder seien.