Ein Protestierender mit einem Plakat gegen die geplante Abschiebung von AsylwerberInnen nach Ruanda beim Abschiebezentrum Brook House beim Flughafen Gatwick, südlich von London, anlässlich einer Demonstration. (12.6.2022)
NIKLAS HALLE’N / AFP / picturedesk.com
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Großbritannien

Abschiebeflug von London nach Ruanda gestoppt

Der erste geplante Abschiebeflug von Großbritannien nach Ruanda mit Asylsuchenden verschiedener Nationalitäten ist in letzter Minute gerichtlich gestoppt worden.

Die Entscheidung kam, nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg mit einer seltenen Intervention die Pläne der britischen Regierung durchkreuzt hatte. Trotz der folgenreichen Niederlage vor Gericht wollen die britische Regierung und Ruanda an ihrem umstrittenen Plan festhalten.

Nächster Flug werde vorbereitet

"Wir lassen uns nicht davon abschrecken, das Richtige zu tun und die Grenzen unserer Nation zu schützen“, sagte gestern Abend Innenministerin Priti Patel. Man arbeite bereits daran, den nächsten Flug vorzubereiten, ergänzte Patel. „Ich bin enttäuscht, dass Klagen und Rechtsstreits in letzter Minute dafür gesorgt haben, dass der heutige Flug nicht abheben konnte“, sagte die Innenministerin. Es sei sehr überraschend, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sich eingeschaltet habe, nachdem britische Gerichte zuvor anders entschieden hätten.

Ruanda will an Abkommen festhalten

Auch Ruanda will trotz der EGMR-Entscheidung an dem Asylabkommen festhalten. „Wir lassen uns von diesen Entwicklungen nicht abschrecken“, sagte heute Regierungssprecherin Yolande Makolo der Nachrichtenagentur AFP. „Ruanda ist nach wie vor fest entschlossen, diese Partnerschaft zu verwirklichen.“ Die Regierung sei bereit, die Migranten aufzunehmen und „ihnen Sicherheit und Chancen in unserem Land zu bieten“.

EGMR fordert Frist von drei Wochen

Der EGMR hatte zuvor angeordnet, dass einer der betroffenen Asylwerber zunächst nicht ausgeflogen werden dürfe. Vielmehr müsse zunächst eine Frist von drei Wochen nach dem Abschluss des Rechtsweges in Großbritannien verstreichen. Stunden zuvor hatte noch der oberste Gerichtshof als letzte britische Instanz grünes Licht für das internationale umstrittene Vorhaben gegeben. Die Zahl der für den ersten Flug eingeplanten Asylsuchenden verringerte sich zuletzt von ursprünglich 37 auf sieben. Die Verfügung des Gerichts galt für einen von den Verbliebenen, einen Iraker. „Damit können die anderen sechs ähnliche Einwände erheben“, sagte Clare Moseley von der Stiftung Care4Calais der Nachrichtenagentur Reuters. „Wir sind so erleichtert.“

Der EGMR gehört zum Europarat und ist damit auch für Großbritannien zuständig. Das Land hatte mit einem 1998 verabschiedeten Gesetz die Europäische Menschenrechtskonvention in das britische Recht übernommen. Da die Konvention sowie der in Straßburg ansässige Gerichtshof nicht zur EU gehören, bestehen diese Verpflichtungen unabhängig vom Brexit fort.

Ruanda-Pakt einläuten

London hatte mit dem für gestern spät Abend geplanten Flug seinen umstrittenen Ruanda-Pakt einläuten wollen, mit dem die konservative Regierung weitere Schutzsuchende von der Einreise ins Vereinigte Königreich abschrecken will. Die Vereinbarung sieht vor, dass Schutzsuchende, die illegal nach Großbritannien gelangt sind, unabhängig von ihrer Nationalität oder Herkunft in das ostafrikanische Land gebracht werden und dort gegen Zahlungen der britischen Regierung die Möglichkeit für einen Asylantrag erhalten. Auch wenn sie dort als Flüchtlinge anerkannt werden, soll es in keinem Fall eine Rückkehr nach Großbritannien geben.

Bruch internationalen Rechts

Die Vereinten Nationen, politische Gegner, Wohlfahrtsverbände, hochrangige Geistliche und viele andere Organisationen sehen darin einen Bruch internationalen Rechts und einen gefährlichen Präzedenzfall. Sie zeigten sich entsetzt über das Vorhaben.

Regierung will gegen Schlepperbanden vorgehen

Die Regierung von Premierminister Boris Johnson will mit dem Verfahren nach eigenen Angaben gegen Schlepperbanden vorgehen und unerwünschte Einreisen über den Ärmelkanal unattraktiv machen. Nach Johnsons Plänen erhält Ruanda anfangs 120 Millionen Pfund (etwa 139 Millionen Euro) für die Zusammenarbeit. Vergangenes Jahr sind mehr als 28.000 Menschen über dem Ärmelkanal nach Großbritannien gekommen.