Gruppenfoto v.l. nach rechts: Bundesrat Josef Ofner (FPÖ), NRAbg. Olga Voglauer (Grüne), Heidi Schleich (Verein zur Anerkennung der Jenischen), Marco Buckovez (Verein zur Anerkennung der Jenischen), NRAbg. Michael Bernhard (NEOS), Matthias Huber (ÖVP Parlamentsklub).
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Parlament

Offizielles Ersuchen der Jenischen um Anerkennung

Der Verein der Jenischen in Österreich hat gestern anlässlich eines Treffens mit den Volksgruppensprechern und der Volksgruppensprecherin der Parlamentsparteien einen offiziellen Akt in Richtung Anerkennung als Volksgruppe gesetzt und ein entsprechendes Ersuchen an die Abgeordneten übergeben.

Zur Prüfung der Anerkennung der Jenischen in Österreich hat sich die Regierung in ihrem türkis-grünen Regierungsprogramm bereits 2020 bekannt. Nach mehr als zwei Jahren wurden schließlich Mitglieder vom im November gegründeten Verein „Jenische in Österreich“ empfangen. Im regen Austausch mit den Abgeordneten konnten Vereinsobmann Marco Buckovez sowie die Linguistin und Vereinsmitglied Heidi Schleich nicht nur über die Anliegen und die Situation der bundesweit in Österreich lebenden Jenischen informieren, sondern sich auch als Ansprechpartnerin bzw. Ansprechpartner in dieser Angelegenheit einbringen.

Mutiger Schritt der Jenischen

Die Grüne Nationalratsabgeordnete Olga Voglauer, auf deren Initiative das Treffen gestern stattfand, zeigt sich erfreut darüber, dass „die Jenischen den Mut gefasst haben, diesen Schritt zu gehen“ und verwies auf die Geschichte der Jenischen in Österreich, die geprägt ist von Diskriminierung, Ausgrenzung und Verfolgung. Angehörige der jenischen Minderheit wurden von der Mehrheitsgesellschaft sowie von öffentlicher Seite konsequent an den Rand gedrängt, was dazu führte, dass sich immer mehr Familien entweder assimilierten oder gezwungen wurden, im Verborgenen zu leben.

Fotostrecke mit 3 Bildern

v.l.n.r.: Marco Buckovez (Verein zur Anerkennung der Jenischen), NRAbg. Olga Voglauer (Grüne), Heidi Schleich (Verein zur Anerkennung der Jenischen)
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Gespräche der VolksgruppenvertreterInnen der Parlamentsparteien mit VertreterInnen des Vereins „Jenische in Österreich“
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v.l.n.r.: Heidi Schleich (Verein zur Anerkennung der Jenischen), NRAbg. Olga Voglauer (Grüne), Marco Buckovez (Verein zur Anerkennung der Jenischen)
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Ersuchen sollen weitere Schritte folgen

Mit der Übermittlung des Ersuchens an die Parlamentarier – an NEOS-Nationalratsabgeordneten Michael Bernhard, Bundesrat Josef Ofner (FPÖ), Nationalratsabgeordnete Olga Voglauer (Grüne) und Matthias Huber vom ÖVP-Parlamentsklub; der SPÖ-Vertreter war aus Krankeitsgründen verhindert – sei ein erster Schritt getan, zeigte sich Heidi Schleich im Anschluss an die Gespräche erfreut. Die Stimmung sei positiv gewesen und das Verständnis für die Anliegen groß. Nun erhoffe man sich auch Unterstützung von der für diese Fragen zuständige Ministerin Susanne Raab (ÖVP) sowie von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) und schließlich auch von Bundespräsident Alexander van der Bellen, denen das Ersuchen auch übermittelt wird. Ein enstprecheder Antrag im Nationalrat wurde in Aussicht gestellt.

Unterstützung für Jenische, Kultur und Sprache

Von einer „positive Resonanz“ berichtete auch die Grüne Abgeordnete Voglauer, die einen Prozess eingeleitet sieht, der in weiteren Schritten „ein gutes Zusammenspiel zwischen dem Parlament und der Bundesregierung und natürlich auch der Öffentlichkeitsarbeit“ braucht. Ziel sei es, zu einer Anerkennung zu kommen, die so ausgestaltet ist, „dass sie auch die Jenischen in ihrer täglichen Arbeit, in ihrer täglichen Kultur und Sprache maßgeblich unterstützt“. Dabei werden einerseits die Expertisen von Expertinnen und Experten, andererseits die Stimmen innerhalb der Volksgruppe auch eine maßgebliche Rolle spielen.

Positive Signale aus Tirol

Positive Signale erhielten die Jenische zuletzt auch vom Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP), der sich im Jänner in der Tiroler Tageszeitung wohlwollend gegenüber den Bemühungen des jenischen Vereins geäußert hat und „das Ansinnen des Vereins gerne in Wien weiter vorantreiben“ wolle. Zustimmend seien laut Heidi Schleich auch Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern der SPÖ und Grüne in Tirol verlaufen.

Österreich mit Vorreiterrolle in EU

Nicht zuletzt gebe es mit der Charta der Regional- oder Minderheitensprachen des Europarats auf europäischer Ebene bereits eine gute Grundlage, um sich bei der Anerkennung der Jenischen als Volksgruppe daran zu orientieren, so Voglauer. Im Sinne dessen könnte das Jenische als autochthone, nicht territoriale und in ganz Österreich vorkommende Sprache einer Minderheit gesehen werden. Da Jenische in vielen Ländern Europas leben und abgesehen von der Schweiz nirgends offiziell als Minderheit oder Volksgruppe anerkannt sind, könnten die Bemühungen und Verhandlungen um eine Anerkennung in Österreich Schule machen.

Vernetzung der Jenischen in Europa

Die Jenischen in Österreich selbst sind mit anderen Jenischen in Europa, vor allem in der Schweiz, Deutschland und Luxemburg, sehr gut vernetzt und pflegen regen Austausch, vor allem auch durch die jährlich stattfindenden „Jenischen Kulturtage“, die von der Initiative Minderheit Tirol meist in Innsbruck veranstaltet werden. Der nächste Kulturtag soll im Herbst stattfinden und da wird die Anerkennung der Jenischen in Österreich, welche à la longue wohl auch über den Erhalt der jenischen Kultur und Sprache entscheiden wird, mit Sicherheit groß diskutiert werden.