Maria Ressa (l), Mitbegründerin und Geschäftsführerin der Online-Nachrichtenseite „Rappler“ in den Philippinen und Dmitri Muratow (r), Chefredakteur der russischen Zeitung „Nowaja gazeta“ wurden mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. (8.10.2021)
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Friedensnobelpreis

„Mutiger Kampf“ für Meinungsfreiheit

Die beiden Journalisten Maria Ressa von den Philippinen und Dmitrij Muratow aus Russland erhalten in diesem Jahr den Friedensnobelpreis. Das gab das norwegische Nobelkomitee heute bekannt.

Sie bekommen den Preis für ihren „mutigen Kampf“ für Meinungsfreiheit, die eine Voraussetzung für Demokratie und dauerhaften Frieden sei, sagte die Vorsitzende des Komitees, Berit Reiss-Andersen, bei der Bekanntgabe in Oslo.

Schutz von Meinungs- und Pressefreiheit

Die beiden Journalisten stünden auch „für alle Journalisten, die sich für dieses Ideal einsetzen in einer Welt, in der Demokratie und Pressefreiheit zunehmend gefährdet sind“, so Reiss-Andersen. Mit der Auszeichnung für Ressa und Muratow solle die Bedeutung des Schutzes der Meinungs- und Pressefreiheit weltweit unterstrichen werden.

Berit Reiss-Andersen, Vorsitzende des Friedensnobelpreiskomitees, präsentiert ein Mobiltelefon mit Bilderkombination mit der Journalisten Maria Ressa und Dmitri Muratow nach einer Pressekonferenz zur Bekanntgabe der Gewinner des Friedensnobelpreises 2021 im norwegischen Nobelinstitut in Oslo. (8.10.2021)
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Philippinische Journalistin Maria Ressa ausgezeichnet

„Ich stehe unter Schock“, sagte Ressa in einer ersten Reaktion. Sie ist Geschäftsführerin der Online-Nachrichtenseite „Rappler“, die sich für Pressefreiheit auf den Philippinen einsetzt und als scharfe Kritikerin des philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte bekannt ist. Im vergangenen Jahr war sie in einem Verleumdungsprozess zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die Journalistin ging aber in Berufung und ist auf Kaution in Freiheit. Ressa, die in den vergangenen Jahren immer wieder vorübergehend verhaftet worden war, wies die Beschuldigungen als politisch motiviert zurück. Das US-Nachrichtenmagazin „Time“ hatte sie 2018 zusammen mit anderen Journalisten als „Person des Jahres“ geehrt. Erst kürzlich nahm sie am dreitägigen Weltkongress des Internationalen Presse Instituts (IPI) in Wien teil – allerdings war die 58-Jährige nur online zugeschalten, da ihre Gerichte verbaten, für den Kongress nach Wien zu reisen.

Auszeichnung für russischen Journalist Dmitrij Muratow

Der Russe Dmitrij Muratow ist Chefredakteur der kremlkritischen Zeitung „Nowaja Gazeta“. Muratow, der schon als Oppositioneller für die liberale Partei Jabloko an Wahlen teilgenommen hatte, hatte sich zuletzt auch mit der Demokratiebewegung in Belarus solidarisiert. Er kritisierte in der Vergangenheit zudem öffentlich die Politik des Kreml auf der von Russland 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim. Die Geldprämie will er für die Entwicklung des unterdrückten Journalismus in seinem Land einsetzen. „Wir werden versuchen, Leuten zu helfen, die jetzt als Agenten eingestuft sind, die jetzt drangsaliert und aus dem Land vertrieben werden“, sagte der 59-Jährige heute dem unabhängigen Portal Meduza, das ebenfalls als „ausländischer Agent“ eingestuft ist. Die Bezeichnung steht international als Stigma in der Kritik, weil sie auch Presse- und Meinungsfreiheit in Russland untergrabe. Muratow prägte in der „Nowaja Gaseta“ einen parteiischen Journalismus, der sich insbesondere für die Entrechteten und Schwachen einsetzt.

„Missbrauch und Manipulation der freien Presse“

„Es ist ironisch, dass wir in der heutigen Welt mehr Presse und mehr Informationen haben, als die Welt je erlebt hat“, sagte die Vorsitzende des Nobelkomitees in Oslo, Reiss-Andersen. „Gleichzeitig sehen wir den Missbrauch und die Manipulation der freien Presse und des öffentlichen Diskurses, etwa bei Fake News.“ Der Nobelpreis werde die Probleme nicht lösen, mit denen Journalisten und die Meinungsfreiheit konfrontiert seien. „Aber wir hoffen, dass er Licht auf die Bedeutung der Arbeit von Journalisten wirft, und auch darauf, wie gefährlich es ist, die Meinungsfreiheit auszuüben – nicht nur an Orten, die derzeit Krieg und Konflikt erleben, sondern wirklich überall auf der Welt.“

ROG warnt vor Gefahren für den Berufsstand

Die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) begrüßte die Auszeichnung für Ressa und Muratow und warnte zugleich vor Gefahren für den Berufsstand. Der Preis sei eine Hommage auf zwei Menschen, „die für alle Journalisten weltweit stehen, die für das Recht auf Information Risiken eingehen“, sagte Christophe Deloire, Generalsekretär der Organisation in Paris. „Der Journalismus ist angeschlagen, weil die Demokratien es auch sind“, sagte Deloire. „Fake News und Gerüchte schaden dem Journalismus ebenso sehr wie den Demokratien“, fügte er hinzu.

Anerkennung der Wichtigkeit der journalistischen Arbeit

Das Büro der UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte gratulierte allen Journalistinnen und Journalisten. Der Preis sei eine Anerkennung der Wichtigkeit der journalistischen Arbeit oft unter schwierigen Bedingungen, sagte die Sprecherin, Ravina Shamdasani. Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI sah die Auszeichnung als eine Ermutigung für andere, selbst unter beschwerlichen Umständen die Wahrheit zu sagen. Besonders die Verbindung zwischen gutem Journalismus und Frieden, den das Nobelkomitee herstelle, sei interessant, sagte SIPRI-Direktor Dan Smith.

„Kontrolle der Mächtigen“ und „Kampf gegen Korruption“

Aus Österreich meldete sich als erster Andreas Schieder, SPÖ-Delegationsleiter im Europaparlament zu Wort und gratulierte den beiden Preisträgern, deren journalistisches Wirken „der Kontrolle der Mächtigen und dem Kampf gegen Korruption gewidmet“ war und ist, wie er in einer Aussendung mitteilte. Demokratie brauche Kontrolle und die Freiheit von Presse und Medien. Auch in Europa steige der Druck auf den unabhängigen Journalismus und damit der Druck auf eine der Grundfesten der europäischen Demokratie. Dotiert sind die Nobelpreise in diesem Jahr erneut mit zehn Millionen schwedischen Kronen (rund 980.000 Euro) pro Kategorie. Verliehen werden sie traditionell am 10. Dezember, dem Todestag von Nobel.

329 KandidatInnen nominiert

Der Friedensnobelpreis wird als einziger Nobelpreis nicht in Stockholm, sondern in Oslo verliehen. Er gilt als die renommierteste politische Auszeichnung der Welt. 329 Kandidatinnen und Kandidaten – 234 Persönlichkeiten und 95 Organisationen – sind in diesem Jahr für ihn nominiert gewesen. Das war die drittgrößte Zahl an Nominierten jemals. Die Namen der Nominierten werden traditionell 50 Jahre lang geheim gehalten. Im vergangenen Jahr war die Ehrung an das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen gegangen.

Mit dem Friedensnobelpreis haben die Tage der Nobelpreis-Verkündungen ihren Höhepunkt erreicht. Zuvor waren in dieser Woche bereits die Preisträger in den Kategorien Medizin, Physik, Chemie und Literatur bekanntgegeben worden. Am kommenden Montag folgt noch der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften, der als einziger der Preise nicht auf das Testament des Dynamit-Erfinders und Preisstifters Alfred Nobel (1833-1896) zurückgeht.