„Mädchen wie die“ von Evan Placey im Vestibül; Koproduktion mit dem Max Reinhardt Seminar; mit:  Nele Christoph, Aila Franken, Katharina Rose, Ines Maria Winkelhofer, Pia Zimmermann
Matthias Horn
Matthias Horn
Burgtheaterstudio

Mobbing-Albtraum mit „Mädchen wie die“

Die Inszenierung „Mädchen wie die“ des Burgtheaterstudio prangert digitales und analoges Mobbing an und zeigt, wie gemein Mädchen sein können. Das Stück für Jugendliche ab 12 Jahren unter der Regie von Mira Stadler eröffnete am vergangenen Freitag die neue Saison.

Die fünf Mädchen auf der Bühne des Vestibüls waren vielleicht einmal Freundinnen. Für eine von ihnen ist das definitiv vorbei, seit ein Nacktfoto von ihr auf den Handys die Runden macht. „Die“ in „Mädchen wie die“ ist wohl eine, von der man sich gerne abgrenzt. Für die pubertierende Gruppe ist es Scarlett, die nun jeder nackt gesehen hat. Für Scarlett ist es jede der vier anderen, die sie deshalb unerbittlich mobben. Scarlett ist nun eine Außenseiterin, eine Schlampe, eine Fickmatratze und noch einige andere fantasievolle Begriffe.

„Mädchen wie die“

von Evan Placey; Regie: Mira Stadler; mit: Nele Christoph, Aila Franken, Katharina Rose, Ines Maria Winklhofer, Pia Zimmermann; Burgtheaterstudio Vestibül, Universitätsring 2, 1010 Wien; Vorstellungen: 24.9., 8.10., 29.10. & 1.11.2021

Kooperation mit Max Reinhardt-Seminar

Die erste Premiere dieser Saison des Burgtheaterstudios ist eine Kooperation mit dem Max Reinhardt-Seminar, die Schauspielerinnen sind Studentinnen, auch die Regisseurin Mira Stadler hat an der Wiener Schauspielschule studiert. Der Text des Stücks kommt bei Jugendlichen sicherlich gut an: voller prägnanter Stellen und ohne Angst vor dem, was ihre Lehrer wohl Vulgärsprache nennen würden.

„Mädchen wie die“ von Evan Placey im Vestibül; Koproduktion mit dem Max Reinhardt Seminar; mit:  Nele Christoph, Aila Franken, Katharina Rose, Ines Maria Winkelhofer, Pia Zimmermann
Matthias Horn

Regisseurin Mira Stadler

Anlässlich der Premiere von „Mädchen wie die“ spricht die knapp 30-jährige Regisseurin Mira Stadler, die im slowenischen Teil Kärntens aufgewachsen ist, von der Herausforderung, Jugendliche ansprechen zu können, von der Förderung von Kreativität in Schulen sowie von Mehrsprachigkeit und Internationalität im Theaterbetrieb.

Wie wichtig ist es für Sie, dass Theater und Kunst in aktuelle gesellschaftliche Diskurse eingreift. Was war ihr Zugang im Zusammenhang mit ihrem aktuellen Stücke „Mädchen wie die“?

Mira Stadler: Im Theater ist die größte Herausforderung aus alten Stoffen neue Impulse herauszuholen. „Mädchen wie die“ ist zwar noch keine zehn Jahre alt, hat aber aufgrund des Zielpublikums von Jugendlichen schon Referenzen, die 13-Jährige nicht mehr verstehen. Ich habe sehr viel recherchiert um wirklich aktuelle Themen und Idole von Teenagern zu bebildern und veraltete Diskurse rauszustreichen.

Wie wichtig ist es, dass man jungen Menschen aus verschiedenen sozialen Schichten und kulturellen Backgrounds fürs Theater begeistert? Was kann Kunst im Leben der jungen Menschen verändern – vielleicht aus ihrer eigenen Erfahrung?

Regisseurin Mira Stadler
Matthias Horn
Regisseurin Mira Stadler

Mira Stadler: Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, dass es magisch sein kann, früh mit Theater in Berührung zu kommen. Theater ist ein Raum der Kreativität und Aufregung, beides kommt in der Schule zu kurz. Ich würde sagen, man muss Kinder und Jugendliche aus allen Backgrounds über die Schule ins Theater bringen, damit kein kreatives Kind aus einem nicht-theateraffinen Haushalt auf der Strecke bleibt.

Sie sind mit nichtdeutscher Muttersprache als Kärntner Slowenin aufgewachsen. Welche Rolle spielt Mehrsprachigkeit im Theater für sie?

Mira Stadler: Jede Art seine Denkart zu erweitern ist im Theater notwendig. Auch Mehrsprachigkeit kann das Gehirn „durchlüften“ und neue Impulse in den Probenprozess einbringen. Ich hatte das Glück durch meine Sprachkenntnisse viel mit internationalen Regieteams arbeiten zu dürfen und die Internationalität der verschiedenen Regiehandschriften, die ich dabei sehen durfte, war extrem bereichernd.

Kann der Einsatz von verschiedenen Sprachen die Atmosphäre oder den Inhalt eines Stückes verändern?

Mira Stadler: Natürlich ist die Sprache atmosphärenstiftend. Im Fall von „Mädchen wie die“ hatte ich es mit einem englischen Stück zu tun, das durch die Übersetzung etwas von ihrer Schnelligkeit und dem trockenen britischen Humor verloren hat. Deswegen habe ich versucht, diese Elemente im Original zu finden und so gut es geht in unsere deutsche Fassung zu übertragen.

Welche Rolle spielt Emanzipation bzw. Quote und Diversität ihrer Erfahrung nach im aktuellen Theaterdiskurs?

Mira Stadler: Alle diese Diskurse sind definitiv im Theater angekommen, manchmal wird es jedoch etwas falsch vermischt. Ein Beispiel ist mein eigenes Stück. „Mädchen wie die“ ist ein Stück mit lauter SchauspielerINNEN und einem hohen Anteil von Frauen im Team, das ist gut für die Quote und Emanzipation – heißt aber nicht gleichzeitig, dass das Stück alle Probleme des Sexismus lösen wird und die Figuren alle feministisch sind. Die Erwartungshaltung an die moralische Überlegenheit ist bei solchen Konstellationen hoch und das sollte nicht sein. Natürlich will ich meine Frauenfiguren auf der Bühne vielseitig darstellen, aber vielseitig heißt auch: menschlich und fehlbar. Und eventuell auch antifeministisch. Denn Theater soll Spiegel der Gesellschaft sein und nicht utopisches Fantasialand.