Einstige Militärchef der bosnischen Serbien Ratko Mladić  erscheint auf dem Bildschirm einer Liveübertragung aus Deen Haag zur Urteilsverkündigung der UN. (8.6.2021)
ELVIS BARUKCIC / AFP / picturedesk.com
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IRMCT

Lebenslange Haft für Mladić wegen Völkermordes

Fast 26 Jahre nach dem Krieg in Bosnien-Herzegowina hat der Nachfolge-Mechanismus des UNO-Tribunals für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien (IRMCT) heute die 2017 in erster Instanz verkündete lebenslange Haft für Ex-General Ratko Mladić, bestätigt.

Dies berichtete der TV-Sender N1. Das Urteil ist somit rechtskräftig. EU und USA begrüßten das Urteil, in Bosnien fielen die Reaktionen gemischt aus. Der einstige Militärchef der bosnischen Serben Mladić (78) wurde des Völkermordes in der früheren ostbosnischen muslimischen Enklave, damals UNO-Schutzzone Srebrenica, der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und der Verletzung der Gepflogenheiten der Kriegführung für schuldig befunden.

8.000 muslimische Männer und Buben ermordet

Serbische Truppen unter dem Befehl von Mladić hatten im Juli 1995 die UNO-Schutzzone überrannt, rund 8.000 muslimische Männer und Buben wurden daraufhin brutal ermordet. Ihre Leichen wurden nach dem Kriegsende in zahlreichen Massengräbern gefunden, nach vielen Vermissten wird weiterhin gesucht. Der frühere Präsident der Republika Srpska, Radovan Karadžić, wurde auf Basis derselben Anklage bereits 2019 rechtskräftig zu lebenslanger Haft verurteilt.

Lange Liste der Verbrechen

Die Liste der Verbrechen, die Mladić angelastet werden, ist lang. Dazu zählen sowohl die gut dreijährige Belagerung und der Granatenbeschuss von Sarajevo mit über 10.000 Opfern, darunter 1.600 Kindern, Vertreibungen von nicht-serbischer Bevölkerung, Morde, aber auch die Geiselnahme von UNO-Soldaten.

Im Berufungsverfahren setzte sich die Verteidigung des früheren bosnisch-serbischen Militärchef im Vorjahr für den Freispruch oder eine Wiederholung des Prozesses ein. Die Anklage forderte hingegen, Mladić nicht nur des Völkermordes in Srebrenica, sondern auch in weiteren sechs bosnischen Gemeinden für schuldig zu erklären.

Familienangehörige der Opfer verfolgten TV-Übertragung

Familienangehörige der Opfer von Srebrenica verfolgten die TV-Übertragung der Urteilsverkündung in Den Haag heute auf der Gedenkstätte in Potočari. Die Familienangehörigen von 114 Muslimen und Kroaten, die im Juli 1992 von bosnisch-serbischen Truppen auf dem Gebiet von Mostar ermordet wurden, bedauern indes, dass Mladić für diese Verbrechen gar nie angeklagt wurde.

Verehrung als Held

Von vielen bosnischen Serben wird Mladić nichtsdestotrotz als Held verehrt. Auf einer Brücke in Banja Luka ist heute ein Spruchband mit der Aufschrift aufgetaucht: „Von uns werden die Haager Beschlüsse nicht anerkannt, Du (Mladić, Anm.) bist der Stolz der Republika Srpska“.

„Es ist Zeit, die Wahrheit zu akzeptieren“

Chefankläger Serge Brammertz begrüßte heute das Urteil und mahnte in Richtung der Mladić-Anhänger: „Es ist Zeit, die Wahrheit zu akzeptieren.“ Mladić sei einer der „berüchtigtsten Kriegsverbrecher der modernen Geschichte“. US-Präsident Joe Biden sprach von einem „historischen Urteil“. „Es stärkt auch unsere gemeinsame Entschlossenheit, künftige Gräueltaten überall auf der Welt zu verhindern.“ EU-Ratspräsident Charles Michel sprach von einem wichtigen Schritt für Gerechtigkeit für die Opfer.

Gemischte Reaktionen in Bosnien

Gemischt fielen die Reaktionen in Bosnien-Herzegowina aus. Angehörige der Opfer und nicht-serbische Politiker begrüßten das Urteil. Der führende bosnische Serben-Politiker Milorad Dodik behauptete dagegen, es habe „nichts mit Recht und Gerechtigkeit“ zu tun. Im Rathaus von Sarajevo wurde die Urteilsverkündung für die Öffentlichkeit live übertragen. Als das Urteil gesprochen wurde, applaudierte das Publikum, wie das Nachrichtenportal „ba.n1info.com“ berichtete. Im Gedenkzentrum von Potočari bei Srebrenica fand ebenfalls eine öffentliche Übertragung des Urteils statt. Der Vorsitzende der bosniakischen Regierungspartei SDA, Bakir Izetbegović, sagte in Sarajevo: „Dieses Urteil möge dem serbischen Volk dabei helfen, sich von der Last zu befreien, die ihm von denen auferlegt wird, die in seinem Namen Kriegsverbrecher ehren, feiern und ihre Verbrechen leugnen.“

Dodik bezeichnete Völkermord als „Mythos“

Der bosnisch-serbische Spitzenpolitiker Dodik bezeichnete den vom Haager Tribunal festgestellten Völkermord in Srebrencia als „Mythos“, der „nicht stattgefunden“ habe. Mladić seien die ihm zur Last gelegten Verbrechen „nicht nachgewiesen“ worden. Ohne seine Führung und seinen Geist hätte das serbische Volk noch mehr gelitten. Dodik ist der alles bestimmende Politiker im serbischen Landesteils Bosniens und serbisches Mitglied des bosnischen Staatspräsidiums.