Außenansicht des Weltmuseums im Rahmen der Eröffnung in Wien. (25.10.2017)
HERBERT NEUBAUER / APA / picturedesk.com
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Wien

Jonathan Fine wird neuer Chef im Weltmuseum

Die Debatte um Rückgabe ethnologischer Museumsbestände an ihre Herkunftsländer erhält durch eine Personalentscheidung neuen Schwung: Jonathan Fine, Sammlungsleiter des Ethnologischen Museums der Staatlichen Museen zu Berlin, wird mit 1. Juli wissenschaftlicher Direktor des Weltmuseums Wien.

„Der Fokus seiner Arbeit in Berlin liegt auf der Provenienzforschung mit dem Schwerpunkt Benin und Kamerun. Das wird er in Wien nahtlos fortsetzen“, sagt KHM-Generaldirektorin Sabine Haag. Nach einem neuen wissenschaftlichen Direktor des zum KHM-Museumsverband gehörenden und in der Neuen Burg situierten ehemaligen Völkerkundemuseums war mit einer internationalen Ausschreibung gesucht worden. Der gebürtige New Yorker Fine habe in den Hearings überzeugt, die Findungskommission habe sich einstimmig für ihn ausgesprochen, so Haag gestern im Gespräch mit der APA. Fine bekomme einen unbefristeten Vertrag, der jetzige Leiter Christian Schicklgruber bleibe am Haus.

Museen müssen noch stärker „diskursive Orte werden“

In Berlin habe sich der 1969 geborene Kunst- und Kulturhistoriker, der zudem Geschichts- und Literaturwissenschaften sowie Rechtswissenschaften studiert hat, im Kontext von Humboldt-Forum und Globalisierung stark mit der Vernetzung von Ausstellungsthemen befasst, dies werde er mit den „buchstäblichen weltumspannenden Objekten“ des Hauses künftig auch innerhalb des KHM-Museumsverbands forcieren, so Haag. „Was Fine außerdem sehr beschäftigt, ist die Frage der zukünftigen Rolle von ethnologischen Museen. Was sollen Museen in und nach der Pandemie leisten? Das wird eine der künftigen Hauptfragen sein. Unsere Mission ist, ein Ort des emotionalen und intellektuellen Aufgehoben-Seins zu bleiben. Wir müssen mit buchstäblich allen Mitteln den Kontakt zum Publikum suchen – analog und digital. Museen müssen noch stärker als bisher diskursive Orte werden.“

Schub für den postkolonialen Diskurs

Den größten Schub wird mit Fines Bestellung jedoch mit Sicherheit der postkoloniale Diskurs bekommen. Der Wissenschafter, der in Berlin als Kurator für die Sammlungen aus Westafrika, Kamerun, Gabun und Namibia zuständig ist, agiert als Mitglied der seit 2010 bestehenden Benin Dialogue Group, in der auch Österreich vertreten ist. Ziel dieser multilateralen Arbeitsgruppe ist u.a. Schaffung eines Museums in Benin City im Südwesten Nigerias, wo Kunstwerke ausgestellt werden sollen, die derzeit in Sammlungen in der ganzen Welt verstreut sind. Die Herkunft der Benin-Bestände des Ethnologischen Museums in Berlin gleicht jenen der im Weltmuseum Wien befindlichen Objekte: Nach der Plünderung Benins durch britische Truppen im Jahr 1897 tauchten viele Gegenstände in der Folge am britischen Kunstmarkt auf, von wo sie ihren Weg in die Museumskollektionen fanden.

Entscheidungen über allfällige Objektrückgaben

In die Diskussion über den Umgang mit diesen Beständen sei sicherlich „neuer Schwung gekommen“, sagt Haag. In einem ersten Schritt müsse jedoch eine transparente Erfassung aller Provenienzgeschichten und digitale Bereitstellung der Objekte erfolgen. Damit werde ein längerer Prozess begonnen, bei dem letzten Endes der Eigentümer, also die Republik Österreich, über allfällige Objektrückgaben zu entscheiden habe. Das Thema „Sharing collections“ sei international ein spannendes, großes Feld – bei dem sich Österreich bei der aztekischen Federkrone zuletzt allerdings für den Zusatz „without moving it“ entschieden hat.