Der scheidende burgenländische Superintendent Manfred Koch während eines Interviews mit der Austria Presse Agentur. (16.2.2021)
ROBERT JAEGER / APA / picturedesk.com
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Superintendent

Abschiebung von Kindern „absolut unmöglich“

Der burgenländische evangelisch-lutherische Superintendent Manfred Koch ortet in der gesamten Flüchtlingsproblematik eine „katastrophale Situation“.

Dass Kinder abgeschoben werden, sei „absolut unmöglich“. Auch forderte er im Gespräch mit der APA die Aufnahme von Kindern aus desolaten Flüchtlingslagern auf griechischen Inseln. Koch tritt im August in den Ruhestand, am 6. März wird ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin gewählt.

Für Ausbau des humanitären Bleiberechts

„Wenn Kinder, die hier zur Welt gekommen und aufgewachsen sind, hier ihre Sozialkontakte haben und gut integriert sind in der Schule, dann sehe ich keinen Grund und Anlass, diese abzuschieben“, betonte Koch. Er plädiert hingegen für einen Ausbau des humanitären Bleiberechts, auch könnten Kinder bei der Geburt die Staatsbürgerschaft erhalten. „Ich bin nicht dafür, dass alle ungeschaut hierbleiben können. Aber wenn, dann müsste man andere Wege finden, das (Asylverfahren, Anm.) viel rascher zu erledigen.“

Aufnahme von Kindern aus Flüchtlingslagern

Der Superintendent erklärte weiters, er verstehe nicht, dass Österreich Kinder aus zerstörten Flüchtlingsunterkünften auf griechischen Inseln nicht aufnimmt. In Rechnitz habe man ein Quartier für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge hergerichtet, dieses sei aufgelassen worden: „Auf der anderen Seite müssen Minderjährige in Kälte und Schlamm leben. Das sind Dinge, wo ich die Unmenschlichkeit, die bei uns herrscht nicht mehr verstehe.“

Mit Anlassgesetzen positive Bewegungen abgewürgt

Angesprochen auf die von der Bundesregierung geplanten Neuerungen beim Islamgesetz im Zuge des Anti-Terror-Pakets, meinte Koch: „Ich verstehe auf der einen Seite die Regierung, die alles mögliche machen möchte, um Attentate zu verhindern. Aber mit solchen Anlassgesetzen werden viele positive Bewegungen abgewürgt.“ Von den in Österreich lebenden Muslimen sei nur ein „verschwindend kleiner Bruchteil radikal“. Diese würden alles zerstören. Er forderte, dass mit den Verantwortungsträgern in ruhigen Gesprächen Lösungen gefunden werden.

Ausbau der seelsorgerlichen, psychologischen Sterbebegleitung

Zum vom Verfassungsgerichtshof gekippten Verbot der Sterbehilfe ließ Koch wissen: „Ich bin für Sterbehilfe, aber im seelsorgerlichen Bereich und nicht im medizinischen.“ Aus seiner Erfahrung als Pfarrer und Seelsorger wisse er, dass es bei Schwerkranken Phasen mit Todessehnsucht gebe. Sei das Tief überwunden, komme aber neuer Lebenswille. „Wir bieten als Kirche Sterbehilfe im Bereich der Seelsorge an“, so der Superintendent. Er schlägt daher vor, dass die Öffentliche Hand die seelsorgerliche, psychologische Sterbebegleitung ausbaut.

„Intensive, spannende“ Amtszeit

Seine Amtszeit sei eine „intensive, spannende“ Zeit gewesen, über die Jahre habe sich viel verändert, sowohl was das Lebensgefühl der Menschen als auch was die Arbeit in den Pfarrgemeinden betrifft, erklärte Koch. In den Ruhestand tritt er im August mit einem „gemischten Gefühl, weil manche Arbeiten würde ich noch gerne weiterführen, wie die regionale Zusammenarbeit in den Gemeinden. Auf der anderen Seite freue ich mich, denn ich habe privat einiges, was ich machen möchte.“ Vertretungen bei Gottesdiensten oder Amtshandlungen darf Koch auch weiter ausüben: „Aber die administrative Arbeit wird in jüngere Hände gelegt.“ Zur Wahl stünden nun zwei Pfarrerinnen und ein Pfarrer, allesamt „sehr gut geeignet und ausgebildet“.

Steigende Arbeitslosigkeit und Armut

Durch die Coronakrise rechnet Koch mit steigender Arbeitslosigkeit und Armut: „Es sind materielle und seelische Nöte, die auf die Menschen noch zukommen. Da muss die Kirche flexibel sein, um diesen Menschen begegnen zu können. Wir haben Gott sei Dank sehr agile Pfarrer.“ So seien etwa bereits vor der Corona-Pandemie Gottesdienste aus Oberwart übertragen worden. Auch Videokonferenzen hätten einen weiteren positiven Aspekt, nämlich dass die Teilnehmer nicht weit anreisen müssten. Auch nach der Krise sollte daher eine „gesunde Mischung“ aus Realpräsenz und Videokonferenzen beibehalten werden, schlug Koch vor.