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GesundheitsexpertInnen

Bedeutung von Psychotherapiezentrum „Jefira“

Namhafte Gesundheits- und Trauma-Expertinnen und -Experten haben sich zu Wort gemeldet, um die Bedeutung des interkulturellen Psychotherapiezentrums „Jefira“ in St. Pölten zu unterstreichen, und äußerten ihre Sorgen um eine mögliche Schließung.

Die finanzielle Unterstützung für die Therapieeinrichtung der Diakonie „Jefira“ für traumatisierte Geflüchtete in Niederösterreich wurde zuletzt vom zuständigen Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) gestrichen. In den letzten 15 Jahren konnte laut Diakonie rund 1.800 Personen, darunter auch vielen seelisch schwer verwundeten Kindern, psychotherapeutisch geholfen werden.

Keine Förderung mehr seitens des Landes

Das Land Niederösterreich förderte die Einrichtung „Jefira“ bisher mit 80.000 Euro pro Jahr. Der Bund bzw. die EU steuerten über diverse Programme nochmals etwa 80.000 Euro bei, die Gesundheitskasse refundierte wiederum den allgemein üblichen Honorarsatz für Psychotherapie. Pro Jahr wurden zuletzt etwa 100 Klientinnen und Klienten betreut, in den meisten Fällen mit Dolmetscherinnen und Dolmetschern.

„Trauma endet nicht mit dem Ende des Kriegs“

Der niederösterreichische Landesverband für Psychotherapie protestiert gegen das Aus für „Jefira“: „Viele Flüchtlinge brauchen dringend Psychotherapie, um ihre traumatischen Erfahrungen aufzuarbeiten. Nur so können sie sich in unsere Gesellschaft integrieren“, sagt seine Vorsitzende Maria Werni in einer Aussendung der Diakonie Österreich. Auch Hadya Nassan-Agha-Schroll, Oberärztin am Krankenhaus Tulln sowie Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutin, betonte, dass es für die Betroffenen zu schweren Depressionen kommen, wenn ihnen therapeutisch nicht geholfen werde. „Trauma endet nicht mit dem Ende des Kriegs, die Probleme können chronisch und durch erneute schlechte Erlebnisse verstärkt werden.“

„Akute Traumatisierungen rasch behandeln“

Auch die in Purkersdorf praktizierende Allgemeinmedizinerin Karin Tschare hob die Wichtigkeit des Psychotherapiezentrums, das in Niederösterreich hinsichtlich Diagnostik und Therapie bei posttraumatischen Belastungsstörungen einzigartig sei, hervor. „Wir müssen akute Traumatisierungen rasch behandeln, so wie wir bei einem Tumor auch nicht warten, bis er immer größer wird, sondern rechtzeitig mit der Therapie beginnen“, so die Ärztin, die selbst viele Patientinnen und Patienten zu „Jefira“ überwiesen habe.

„Erster Baustein für die Integration“

Die Therapie von Traumatisierten sei ein „erster Baustein für die Integration in die Gesellschaft und wesentlicher Baustein für die Vermeidung von unnötigen Untersuchungen in dieser Patientengruppe“, weiß Siroos Mirzaei, Primar am Wiener Wilhelminenspital mit langjähriger Erfahrung in diesem Feld.

Dolmetsch-unterstützte Psychotherapie

Dass geflüchtete Menschen als Kriegs- und Folterüberlebende mit massiven Traumafolgestörungen besonderer psychotherapeutischer Behandlung bedürfen, streicht Brigitte Lueger-Schuster, Leiterin der Arbeitsgruppe Psychotraumatologie an der Universität Wien, hervor. In dieser Hinsicht leiste „Jefira“ mit traumaspezifischer, kultursensibler und dolmetsch-unterstützter Psychotherapie besondere Arbeit. „Es ist aus wissenschaftlicher Sicht absolut erforderlich, dolmetsch-unterstützte Psychotherapie zur Verfügung zu stellen, denn nur in der eigenen Sprache kann man den komplexen traumatischen Vorgängen, die die Betroffenen erlitten haben, gerecht werden.“ Erst wenn das Trauma und die Symptomreduktion verarbeitet werden, sei eine aktive Teilnahme im Alltag des Ziellandes möglich, „da die Beschwerden dem Spracherwerb, der Arbeitssuche und der sozialen Integration im Weg stehen“, so die Professorin.

Bekenntnis zur vollen Rehabilitation von gefolterten Menschen

Nachdem Österreich die Antifolter-Konvention ratifiziert habe und damit ein klares Bekenntnis zur vollen Rehabilitation von gefolterten Menschen abgelegt habe, brauche auch Niederösterreich weiterhin diese Angebote der medizinischen, sozialen und psychologisch/psychotherapeutischen Rehabilitation, so Barbara Preitler, Pionierin der Psychotraumatologie in Österreich und Universitätslektorin an der Universität Klagenfurt. „Zusätzlich wissen wir, dass Psychotherapie von schwer traumatisierten Menschen Folgekosten für das medizinische System verhindert: weniger Krankenhausaufenthalte, lange Krankenstände wegen chronischer Erkrankung etc. können vermieden werden“, so die Psychologin.