Mathieu Lobingo
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Let’s go viral!

Der Schrei nach Gerechtigkeit

Mathieu Lobingo stammt aus der Demokratischen Republik Kongo und ist 1995 zum Studieren nach Österreich gekommen. 2005 hat er den Verein „Bondeko“ in Salzburg übernommen.

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Ana Grilc

Das Wort „Bondeko“ kommt aus der afrikanischen Bantusprache Lingala und bedeutet Freundschaft, Geschwisterlichkeit, Begegnung und Solidarität. Der Verein hat seinen Sitz gleich um die Ecke des Privatgymnasiums der Herz-Jesu-Missionare, wo die Mitarbeiterinnen von „Let’s go viral!“ zur Schule gehen. Wir kennen Mathieu Lobingo und schätzen seine Arbeit. Kurz vor seiner Abreise in den Kongo haben wir den Finanzchef der Erzdiözese Kinshasa zum Interview getroffen. Er war Zeuge von Ausbeutung, hat erlebt, wie Kinder zu Soldaten gemacht werden und Menschen alles geraubt wird.

2020 gab es laut Hamburger Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) 29 Kriege weltweit. Einer der blutigsten findet bis heute in der Demokratischen Republik Kongo statt, wo über 84 Millionen Menschen leben.

Wir haben ihn auch zur künstlerischen Intervention des Regisseurs Milo Rau befragt. Rau hat im Kongo ein richtiges Tribunal inszeniert, bei dem alle Kriegsparteien – Minister, Opfer und Täter – in einem Theater teilnahmen. Nach dem Tribunal im Theater traten Minister zurück. Schon im Filmtrailer bekommt man eine Idee, was ein Massaker im Kongo mit der Weltbank zu tun hat.

Mathieu ist es nicht gefährlich, jetzt in den Kongo zu ziehen?

Lobingo: Ich arbeite in der Hauptstadt, da ist es nicht so schlimm wie im Osten, wo es die Milizen gibt.

Warum verlässt du uns, du hast so gute Arbeit hier geleistet?

Lobingo: Der Kardinal war hier und hat mich gebeten, die Finanzkammer der Erzdiözese Kinshasa zu übernehmen, da konnte ich Nicht nein sagen.

Wir haben uns gerade mit dem Kongotribunal von Milo Rau auseinandergesetzt. Was hälts du davon?

Lobingo: Meine Eltern sind aus dem Osten von Kongo. Ich kenne die Problematik aus erster Hand. Der Konflikt hat 1998 begonnen. Da wurde zuerst lange geschwiegen. Die Welt wollten nichts wissen, denn die Industriestaaten haben ein großes Interesse im Kongo: Coltan. Die Handyproduzenten brauchen diesen Rohstoff für elektronische Geräte und wollten nicht, dass ihr Geschäft gestört wird. Durch Projekte wie das „Kongo-Tribunal“ von Rau konnte Druck aufgebaut werden.

Was für eine Art von Druck?

Lobingo: Die multinationalen Konzerne waren gezwungen zuzugeben, dass der Kongo ausgebeutet wird. Millionen von Menschen sind in diesem bewaffneten Konflikt gestorben. Es ging um wirtschaftliche Interesse, die von den mächtigen Konzernen als Bürgerkrieg verkauft wurden: Die bringen sich gegenseitig um, aber das ist nicht wahr und das tut uns weh.

Warum greift niemand ein?

Lobingo: Die UNO hatte ein großes Kontingent mit 25.000 Soldaten entsandt. Das alles hat keinen Effekt. Hier geht es um Gerechtigkeit. Es geht um Gerechtigkeit und Frieden. Es muss möglich sein, dass unsere Menschen wieder in Frieden leben und aufs Feld gehen können. Die Leute, die dort wohnen, waren nicht interessiert an diesem Rohstoff. Es sind einfache Menschen, sie haben von ihren kleinen Landwirtschaften gelebt. Plötzlich kam das Interesse der Konzerne an den Rohstoffen. Mit ihnen kam der Tod, Vergewaltigungen, Kindersoldaten. Ich hoffe, wir können diese großen Probleme in den 20 Jahre lösen.

Mathieu Lobingo
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Mathieu, du hast lange in Europa gelebt. Was bedeutet die „Black lives matter“ Bewegung für dich?

Lobingo: Gerechtigkeit und Friede. Ich glaube, wir Afrikaner in Europa haben mit dieser Ungerechtigkeit schon immer gelebt. Der Tod George Floyds ist ein Symbol. Ein System dafür, dass Rassismus System geworden ist. Wir haben auch das Recht zu leben. Wir haben auch das Recht, von der Welt, die uns allen gehört, zu profitieren.

Glaubst du, dass diese Bewegungen etwas verändern kann?

Lobingo: Ich glaube, da ist kein Konflikt Schwarz gegen Weiß in den USA. Die Schwarzen in Amerika sind eine Minderheit, es gibt 13 Prozent Afroamerikaner. So eine Minderheit kann alleine nicht eine weltweite Bewegung wie „Black lives matter“ schaffen. Sie sind der Motor, getragen wird die Bewegung von Menschen aller Hautfarbe, die Gerechtigkeit wollen und sagen: So kann das nicht weiter gehen! Diese Bewegung ist alt, dieser Schrei nach Gerechtigkeit dauert schon 400 Jahre an und einer seiner wichtigsten Vertreter war Dr. Martin Luther King.

Das Interview führte Laurin Reichl vom Privatgymnasium der Herz-Jesu-Missionare in Salzburg.