Migrationsexperte Gerald Knaus
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MigrationsExperte

EU kann Frage der Migration „nicht lösen“

Die EU kann nach Ansicht des österreichischen Migrationsforschers Gerald Knaus Fragen rund um die Fluchtbewegungen nach Europa „nicht lösen“. Die Entscheidungen über die Aufnahme durch Umsiedlung könne etwa nur auf nationaler Ebene getroffen werden.

Dies sagte Knaus bei seiner Buchpräsentation „Welche Grenzen brauchen wir?“ heute in der Erste Stiftung in Wien. Die Annahme, die EU könne das regeln, sei „wahrscheinlich das größte Hindernis auf dem Weg zu einer Lösung“.

„Weil die Staaten gespalten sind“

Es könne deshalb nicht funktionieren, „weil die Staaten gespalten sind“, erklärte Knaus. Jene Staaten, die eine humane Lösung mit Kontrolle wollen, „müssen vorangehen“. Auch sei die Debatte, kritisierte der Experte weiter, „total ideologisch fixiert“. Die einen, die sich für Flüchtlingsrechte einsetzen würden, „reden nie über Kontrolle“ – wie zum Beispiel über die Frage, wer soll abgeschoben werden und wie? „Damit überlassen sie diese ganze Frage jenen, die sagen, jeder soll abgeschoben werden.“

Buch – Knaus, Gerald: Welche Grenzen brauchen wir? Zwischen Empathie und Angst – Flucht, Migration und die Zukunft von Asyl, Piper Verlag
Piper Verlag

Knaus, Gerald: „Welche Grenzen brauchen wir? Zwischen Empathie und Angst – Flucht, Migration und die Zukunft von Asyl“, Piper Verlag, 335 Seiten, 18,90 Euro, ISBN: 978-3-492-05988-69

Gambia-Plan mit „Abschiebungsrealismus“

Auch die EU-Idee, mit mehr Druck auf die Herkunftsländer die Rücknahme von Migranten zu erzwingen, sei „zum Scheitern verurteilt“, betonte Knaus. Er stellt in seinem Buch den sogenannten Gambia-Plan vor, den er anhand eines Beispiels in dem deutschen Bundesland Baden-Württemberg und Flüchtlingen aus Gambia erstellte. Darin fordert der Experte einen „Abschiebungsrealismus“ – Migranten, die bereits im Land sind, sollen bleiben – und einen „Stichtag“ – Migranten, die ab diesem Zeitpunkt kommen und ausreisepflichtig sind, werden wieder zurückgeschickt. Gambia soll durch „legale Mobilität“ wie etwa Visa-Erleichterungen einen Anreiz bekommen, seine Bürger wieder zurückzunehmen.

Kanada-Modell des 0,05-Projekts

Einen weiteren Lösungsvorschlag für den Umgang mit Migrationsbewegungen holte sich Knaus aus Kanada: Das 0,05-Projekt. 0,05 Prozent – „das ist die Zahl der Bevölkerung Kanadas, die jedes Jahr durch Patenschaften ins Land kommt“, führte Knaus aus. Auf Österreich umgerechnet wären das etwa 4.500 Menschen im Jahr, auf Oberösterreich 800. „Das sind keine dramatischen Zahlen, aber das ist genau der Engpass den wir jetzt haben“, sagte der Experte. Knaus zeigte sich zuversichtlich, er habe in Deutschland bereits Zuspruch auch von vielen konservativen Politikern bekommen. Dort gebe es auch bereits ein Pilotprojekt aus dem Kanzleramt, unterstützt vom Innenministerium und der Kirche.