Frau bei einem Zelt nahe des Flüchtlingscamps Moria auf der griechischen Insel Lesbos. (21.6.2020)
ARIS MESSINIS / AFP / picturedesk.com
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Flucht & Asyl

Knaus prangert Umgang der EU mit Flüchtlingen an

Der österreichische Migrationsforscher und Leiter der Europäischen Stabilitätsinitiative (ESI), Gerald Knaus, ist scharf mit der europäischen Asylpolitik ins Gericht gegangen.

Die derzeitige deutsche EU-Ratspräsidentschaft müsse den „rechtswidrigen Umgang mit Flüchtlingen“ an den Außengrenzen sowie in der EU selbst beenden, sagte Knaus heute der „Berliner Zeitung“.

Evakuierung der Flüchtlingslager

Angesichts der Corona-Pandemie fordert der Österreicher die Evakuierung der Flüchtlingslager auf den griechischen Ägäis-Inseln. Es sei „erschreckend zu sehen, mit welcher Brutalität Europäer ihre eigenen Gesetze im Umgang mit Asylsuchenden heute brechen“, kritisierte Knaus, der als Architekt des EU-Türkei-Flüchtlingsabkommens von 2016 gilt. Dabei seien im ersten Halbjahr 2020 nur 20.000 Menschen über das gesamte Mittelmeer gekommen.

Gegen „EU-Recht und der Flüchtlingskonvention“

„Was sich aktuell in den Lagern auf den griechischen Inseln, aber auch auf dem Meer in der Ägäis und zuvor auf dem Landweg an der türkischen Grenze abspielt, steht im Widerspruch zu EU-Recht und der Flüchtlingskonvention“, fügte er hinzu. Die Lager müssten evakuiert werden.

Menschen bei Zelten nahe des Flüchtlingscamps Moria auf der griechischen Insel Lesbos. (21.6.2020)
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Einhaltung der Genfer Flüchtlingskonvention

Knaus forderte Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, sich für die Einhaltung der Genfer Flüchtlingskonvention einzusetzen. „Deutschland kann mit Griechenland eine bessere Lösung finden“, betonte er. Es sei im Interesse „jedes empathischen Menschen, diesen Zustand zu beenden“ und an den europäischen Grenzen die „Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen“.

Kalkül zur Abschreckung von Flüchtlingen

Hinter den Zuständen in den griechischen Flüchtlingslagern vermutet Knaus auch ein Kalkül zur Abschreckung von Flüchtlingen, wie es die australische Regierung seit Jahren verfolge. Dort sei das Signal an die Migranten, dass sie jeden Versuch der Einreise unterlassen sollten, sagte der Experte.

Kind bei einem Zelt nahes des Flüchtlingscamps Moria auf der griechischen Insel Lesbos. (27.6.2020)
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Integration von syrischen Schulkindern in Türkei

Aus Sicht von Knaus sollte die EU ein dringendes Interesse haben, zu einem neuen Flüchtlingsabkommen mit der Türkei zu kommen – und auch die Schulbildung, medizinische Versorgung und Sozialhilfe von Flüchtlingen in der Türkei finanziell zu unterstützen. Die Integration von rund 670.000 syrischen Schulkindern in der Türkei „ist humanitär geboten und im Interesse der EU“, betonte der Migrationsforscher.

Streit zwischen Türkei und EU

In der Flüchtlingspolitik tobt derzeit ein Streit zwischen der Türkei und der EU. Griechenland warf der Türkei unlängst vor, die Grenzen für Flüchtlinge zur EU erneut geöffnet zu haben. Die türkische Regierung beschuldigt ihrerseits die EU, sich nicht an das Flüchtlingsabkommen von 2016 gehalten zu haben, in dem Ankara unter anderem Milliardenhilfen für die Betreuung von Flüchtlingen zugesichert worden waren.