Online-Pressekonferenz der Österreichischen Liga für Menschenrechte anlässlich der Präsentation des „Universal Periodic Review“ 2020 für Österreich
Liga für Menschenrechte
Liga für Menschenrechte
Universal Periodic Review

Liga mit 152 Forderungen zu Menschenrechten

Die Menschenrechtssituation in Österreich hat sich unter Türkis-Blau verschlechtert. In der Stellungnahme zur „Universal Periodic Review“ der UNO finden sich 152 Forderungen zivilgesellschaftlicher Organisationen.

Die neue Regierung habe sich zu Verbesserungen bekannt. Aber ihre Vorhaben harren der Umsetzung, forderte heute die Liga für Menschenrechte, trotz Coronakrise aktiv zu werden. Die Liga werde ein Auge auf die Umsetzung haben, denn „allzu oft wird Covid-19 als Vorwand genommen, um wieder zurückzurudern“, betonte Rechtsanwalt Florian Horn bei der Präsentation des UPR-Berichts. Zu tun gebe es viel, konstatierte Liga-Präsidentin Barbara Helige.

Befund „leider nicht so gut“

So ist der Befund zum Schutz gegen Diskriminierung und Rassismus „leider nicht so gut“. „Sehr tröstlich“ war, so Helige, da die Teilnahme von 50.000 Menschen an der Anti-Rassismus-Demo. Eine sehr auffällige Diskriminierung bestehe gegenüber im Ausland lebenden Kindern hier – meist in der Pflege – arbeitender Mütter. Ihnen hat die türkis-blaue Regierung die Familienbeihilfe gekürzt. Die – von manchen als grundrechtsverletzend kritisierten – Covid-19-Schutzmaßnahmen hat die Liga bewusst noch nicht zum Thema gemacht. Es fehlen noch belastbare Daten zur Überprüfung, erläuterte Horn, der im Koordinierungsteam mitarbeitete.

Der dritte „Universal Periodic Review“ für Österreich betrifft die vergangenen fünf Jahre. Die Liga hat die Stellungnahme der Zivilgesellschaft koordiniert, Befunde von mehr als 250 Organisationen wurden gesammelt, von NGOs wie Behindertenrat, Verein ZARA bis zum Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte.

Spaltung der Gesellschaft „verstärkt“

Im Bericht wird festgehalten, dass „viele Forderungen“ aus dem letzten Bericht im Jahr 2015 nicht nur „unverändert aufrecht sind“, sondern, „dass durch mannigfaltige Diskriminierungen die Spaltung der Gesellschaft seit dem letzten Überprüfungszeitraum verstärkt wurde“. Der Befund zeigt besonders seit 2017 wesentliche Rückschritte in der inhaltlichen Zusammenarbeit mit NGOs und auch in der Umsetzung fundamentaler Grundrechte – samt mangelnder Finanzierung von Schutzmaßnahmen. Beanstandet wurden auch Mängel in der Transparenz und Nachvollziehbarkeit staatlichen Handelns. Mit 152 Beanstandungen gab es diesmal weit mehr als bei je zuvor, berichte Horn.

Nationaler Aktionsplan für Menschenrechte

Wesentlichste Forderungen sind ein Nationaler Aktionsplan für Menschenrechte – die 2015 aufgenommenen Arbeiten daran wurden 2017 „praktisch abgebrochen“ –, mehr Transparenz, also Daten z.B. zu diskriminierenden und rassistischen Verbrechen, und Schutz vor Gewalt. Dass dieser nicht reiche, sehe man an der gestiegenen Zahl von Frauenmorden.

Grundrechtskatalog und Levelling-up

Gefordert wird auch die Schaffung eines allgemeinen und umfassenden Grundrechtskatalog im Verfassungsrang, die Ausweitung eines umfassenden Schutzes für sämtliche Diskriminierungsgründe, das sogenannte Levelling-Up sowie die Verbesserung von Mechanismen der Einzelnen gegen große Unternehmen, die der effektiven Umsetzung der Menschenrechte dienen sollen. Darüber hinaus wird die Finanzierung der zuständigen Gerichte und Staatsanwaltschaften gefordert sowie eine nachhaltige Sicherstellung der finanziellen Unterstützung unabhängiger zivilgesellschaftlicher Einrichtungen.

Minderheitensprachen stärker berücksichtigen und anerkennen

Für den Minderheitenbericht wird im Bericht festgehalten, dass die Sprachen der anerkannten Minderheiten von den Behörden unzureichend verwendet werden. Deshalb bedarf es einer Aufstockung des Personals mit Sprachkenntnissen in den Minderheitensprachen bei Behörden. Im Schulbereich wird die Aufwertung des zweisprachigen Unterrichts – in Deutsch und den anerkannten Minderheitensprachen – in der Sekundarstufe gefordert, da sich der zweisprachige Unterricht in dieser „signifikant“ verringere. Kritik wird auch am Medienangebot in den Minderheitensprachen aufgrund „mangelnder Förderung“ geäußert, dieses sei sowohl „quantitativ als auch qualitativ“ nicht ausreichend. Gefordert wird die „Erhöhung der Volksgruppenförderung aus den Mitteln des Volksgruppenbeirates“.

Gebärdensprache-Gemeinschaft als Sprachminderheit anerkennen

In Bezug auf die Österreichische Gebärdensprache, die explizit als Sprache in der Verfassung anerkannt ist, wird einer „Anerkennung der gehörlosen und schwerhörigen gebärdensprachlichen Gemeinschaft als sprachliche Minderheit“ gefordert. Damit könnte sie auch die Rechte einer anerkannten sprachlichen Minderheit in Anspruch nehmen.

Abschaffung der Familienbeihilfe-Indexierung

Bezüglich konstatierter „verschärfter“ sozialstaatlicher Regelungen, die Migrantinnen und Migranten sowie Asylsuchende betreffen, wird im Bericht die Abschaffung der internationalen Indexierung der Familienbeihilfe, die sich auf das Preisniveau des Aufenthaltsstaates der Kinder bezieht, gefordert. Der Arbeitsmarktzugang für Asylsuchende sollte spätestens sechs Monate nach Asylantragsstellung ermöglicht und der Zugang zu Bildung und Lehre – auch für nicht mehr minderjährige – Asylsuchende, gewährleistet werden. Außerdem wird die Entkriminalisierung von Fluchthilfe bei nachweislichen Fluchtgründen gemäß Genfer Konvention der Betroffenen gefordert.

Mehr Mittel für Entwicklungszusammenarbeit

Gefordert werden auch mehr Mittel für Entwicklungszusammenarbeit. 2019 blieb Österreich mit 0,27 Prozent weit unter dem international vereinbarten Ziel von 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens, erinnerte Annelies Vilim, Geschäftsführerin des Dachverbandes Globale Verantwortung. Gerade wegen der Coronakrise – durch die in vielen Ländern die Menschenrechte bedroht seien, müsse Österreich ein Rettungspaket von 100 Mio. Euro schnüren.