Die Reise der adeligen Witwe Danielis von der Peloponnes nach Konstantinopel zu Kaiser Basileios I. (reg. 867-886), Darstellung in einer illustrierten Handschrift der byzantinischen Chronik des Ioannes Skylitzes (12. Jahrhundert, heute in Madrid)
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Publikation

Rolle von Byzanz als Drehscheibe für Migration

Das byzantinische Großreich war zwischen dem vierten und 15. Jahrhundert eine zentrale Drehscheibe der Mobilität zwischen Europa, Asien und Afrika und zog aktiv Migranten aus den Nachbargebieten an.

Ein neues Buch, das der Byzantinist Johannes Preiser-Kapeller von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) mitherausgegeben hat, zeigt nun die Dimension und Reichweite dieser Migration.

Johannes Preiser-Kapeller, Lucian Reinfandt, Yannis Stouraitis (Hg.): Migration Histories of the Medieval Afroeurasian Transition Zone. Aspects of mobility between Africa, Asia and Europe, 300-1500 C.E., erschienen in der Reihe Studies in Global Migration History, Verlag Brill, 452 Seiten, 130 Euro, ISBN: 9789004382497

Großreiche abängig von Migration

Viele würden beim Begriff „Völkerwanderung“ immer noch an „barbarische Horden“ denken, die Imperien und Zivilisation zerstören, wird Preiser-Kapeller in einer Aussendung der ÖAW und der Universität Wien zitiert. „Im Buch wird aber deutlich, wie sehr alle diese Großreiche wie Byzanz, das Kalifat oder das Mongolenreich auch jenseits von Eroberungszügen selbst auf Migration angewiesen waren und diese aktiv innerhalb, aber auch von außerhalb ihrer Grenzen gefördert haben.“

Zwangsumsiedlung und Verkauf von Sklaven

Die Migration geschah dabei nicht nur freiwillig, zeigt etwa die Zwangsumsiedlung tausender Mitglieder der südsibirischen Volksgruppe der Oiraten in den 5.000 Kilometer entfernten Irak im 13. Jahrhundert. Sklavinnen und Sklaven aus Südosteuropa wurden im achten, neunten und zehnten Jahrhundert zu tausenden in die arabisch Welt verkauft und trafen dort laut Aussendung auf Leidensgenossen aus Ostafrika. Als Beispiel für die Wechselhaftigkeit von Migrationspolitik wird in dem Buch Venedig geschildert: Während es noch im 13. Jahrhundert den Zuzug in seine Kolonien in der Ägäis stark beschränken wollte, wurde nach Bevölkerungsverlusten durch die Pest um 1350 um Zuwanderer aus Griechenland, Kleinasien und Armenien geworben.

Die Reise der adeligen Witwe Danielis von der Peloponnes nach Konstantinopel zu Kaiser Basileios I. (reg. 867-886), Darstellung in einer illustrierten Handschrift der byzantinischen Chronik des Ioannes Skylitzes (12. Jahrhundert, heute in Madrid)
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Migration als „Konstante der menschlichen Erfahrung“

Dass Migration in der öffentlichen Debatte seit Jahren meist als Ausnahmesituation, Herausforderung oder sogar Bedrohung diskutiert wird, ist für Preiser-Kapeller eine Fehleinschätzung. Das Buch „Migration Histories of the Medieval Afroeurasian Transition Zone“ beleuchte demgegenüber Migration als „Konstante der menschlichen Erfahrung auf deren Grundlage überhaupt erst jene politischen Gebilde, Kulturräume und religiösen Sphären entstehen konnten, deren Grenzen wir heute als stabil oder gar als Hindernis für Migration wahrnehmen wollen.“