Der 25-jährige Kleinunternehmer, der alleine arbeitet, näht derzeit rund um die Uhr bunte Schutzmasken aus Recyclingstoffen. „Der Tag hat 24 Stunden und nun kann ich unserer Gesellschaft in ihrer Not etwas für ihre großzügige Aufnahme zurückgeben“, erklärt Ahmad Haj Ibes im Interview für volksgruppen.ORF.at.
Held des Alltages – بطل اليوم: Ahmed Haj Ibes
Unternehmen „Herzgenäht“
Der Schneider näht Taschen – große, kleine, in unterschiedliche Formen – aus Materialien, die bereits eine Geschichte mit sich bringen. Sein Unternehmen hat er „Herzgenäht“ genannt und der Name ist Programm. „Meine Werke sollen nicht teuer sein, denn ganz normale Menschen, wie ich, sollen sich die Taschen leisten können“, betont er. Begeistert zeigt sich Ahmad Haj Ibes davon, wie die Menschen in Österreich in der Corona-Krise zusammenhalten. Die Linie seiner Handwerksprodukte hat er zunächst einmal umgestellt. Mit seinen Gesichtsmasken will er nun nach individuellem Geschmack der Kundinnen und Kunden seinen Beitrag leisten und damit auch Freude in dieser schwierigen Zeit bereiten.
Züruckgeworfen in frühere Zeiten
Das Handwerk hat der junge Syrer in Aleppo gelernt. Zur Flucht entschied er sich, als er nach zwei Jahren im Krieg ins Militär einrücken sollte. Als in Österreich aufgrund des Coronavirus die Quarantäne ausgerufen wurde, stiegen in ihm alte Ängste auf. „Ich wurde zurückgeworfen in eine Zeit, als bei uns der Krieg begann und auf einmal niemand mehr aus dem Haus durfte.“ Der telefonische Kontakt mit seiner Familie in Syrien ist für ihn eine Stütze. Sie erzählen ihm, dass in Syrien zwar die Schulen zu sind und der Ausgang beschränkt wurde, die Politiker aber davon sprechen, dass Syrien von dem Coronavirus verschont bleibe. „Man kann nicht sagen, ob die Menschen am Coronavirus oder einer normalen Lungenentzündung sterben. So ist meine Familie, wie alle Syrer, jetzt vom Krieg und von der Krankheit bedroht“, so Ahmad Haj Ibes.
Menschen in Syrien mehrfach betroffen
Zu glauben, dass das Leben für die Menschen in Syrien leichter geworden ist, sei ein Irrtum. Krieg bedeute mehr als nur Waffen und Schießen. „Für mich ist Krieg auch, dass ein Land seine Leute jeden Tag hungrig schlafen gehen lässt. Jetzt sagen sie, dass der Krieg ruht, aber die Leute haben kein Gas, keinen Strom und kein Wasser. Das ist kein Leben“, erzählt der Syrer. Die Situation sei nach wie vor katastrophal. Es verschwinden etwa Menschen, nach denen nicht gesucht werden kann. Auskünfte gebe es in der Regel keine, im Fall von Informationen werde man prinzipiell belogen. Darüber hinaus ändert sich die Lage in der Stadt von einem Straßenzug zum anderen: einmal kontrolliert das russische Militär, dann das iranische. „Das ist kein Leben und jetzt noch Corona“, zeigt sich Ahmad Haj Ibes besorgt.
Kurs zur Meisterprüfung abgesagt
Die Corona-Pandemie hat aber dem jungen Schneider – neben der Retraumatisierung – noch einen Strich durch die Rechnung gemacht: Um zukünftig auch Kleider fertigen zu können, habe er beschlossen, die Meisterprüfung zu machen. Dafür müsste er einen dreimonatigen Intensivkurs in Wien besuchen, der am 25. April begonnen hätte und mittlerweile abgesagt wurde. Aufzugeben liegt nicht in der Natur von Ahmad Haj Ibes, daher bringt er vorläufig über seine Facebook-Seite seine nachhaltigen Kunststücke an Interessierte.