Illustration zum Thema Pflege
HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com
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Coronavirus

24-Stunden-Pflege als (noch leise) tickende Zeitbombe

Nach einer weiteren Verschärfung der Einreisebestimmungen aufgrund der Coronakrise rückt auch das Thema Pflege stärker in den Fokus.

Derzeit gebe es im heiklen Bereich der 24-Stunden-Betreuung noch keinen Notstand, hieß es heute Früh von Hilfsorganisationen und Wirtschaftskammer. „Die große Krise sehe ich jetzt nicht“, sagte WKÖ-Fachverbandsobmann Andreas Herz. Die könnte aber noch kommen.

Einreise mit ärtzlichem Bescheid

Laut Kammer und Gesundheitsministerium sind in Österreich derzeit rund 33.000 Personenbetreuerinnen und -betreuer in der 24-Stunden-Pflege beschäftigt. Sehr viele davon kommen aus Rumänien und Ungarn. Seit gestern müssten diese Personen aufgrund einer Verordnung des Gesundheitsministeriums bei der Einreise nach Österreich über Ungarn und Slowenien zusätzlich einen ärztlichen Bescheid über den negativen Test auf das Virus vorlegen. Dieser darf nicht älter als vier Tage sein. Wer kein Attest hat, darf nur unter der Bedingung ins Land, dann 14 Tage in Quarantäne zu sein.

Manche Pflegekräfte kehren vorzeitig zu Familien zurück

Und gerade das verpflichtende medizinische Zeugnis könnte das System ins Wanken bringen. Nämlich dann, wenn sich viele Pflegekräfte angesichts zunehmender Unsicherheit entschließen, vorzeitig zu ihren Familien in ihre Heimatländer zurückzukehren. Dass der turnusmäßige Ersatz in den meisten Fällen rechtzeitig in Österreich wäre, um eine lückenlose Betreuung garantieren können, ist höchst fraglich. Zumal in Osteuropa weniger Tests durchgeführt werden als in Österreich. Auch die Grenzen zu Tschechien, der Slowakei, Deutschland und Italien sind de facto geschlossen, das ist also keine Ausweichmöglichkeit.

Um Ausnahmeregeln bemüht

Im Gesundheitsministerium ist man sich der Problematik bewusst und um Ausnahmeregeln für die 24-Stunden-Betreurinnen und -Betreuer bemüht. Man arbeite „mit Hochdruck“ an Lösungen, betonte gestern Minister Rudolf Anschober (Grüne). Bis wann diese vorliegen könnten, ist aber noch völlig unklar.

Pflegerinnen und Pfleger bleiben länger

Aktuell herrscht noch keine Alarmstimmung. „Grundsätzlich ist es so, dass wir derzeit noch alle von uns betreuten Familien betreuen können“, teilte Caritas-Generalsekretär Bernd Wachter mit. Praktisch alle der vermittelten Pflegerinnen und Pfleger hätten sich in der Not bereiterklärt, länger als über das Turnusende hinaus in Österreich zu bleiben, erfuhr die APA auch von anderen Stellen. „Auch wir haben es bisher geschafft, die Kunden, die wir haben, zu behalten“, sagte Elisabeth Anselm, die Geschäftsführerin des Hilfswerks Österreich.

„Natürlich sind die Pflegerinnen verunsichert“

Angesichts der neuen Vorgaben sei das aber ein Zustand, der sich „sehr schnell drehen kann“, so Anselm. „Natürlich sind die Pflegerinnen verunsichert“, berichtete Wachter. Fragen wie „Komme ich überhaupt noch nach Hause?“ und „Komme ich dann noch rein?“ seien allerorts zu hören. Zwei, drei Wochen könnte man den Status quo vielleicht aufrechterhalten, viel länger werde es nicht gehen.

Hoffen auf schnellere Tests

Ostern am zweiten April-Wochenende könnte in dieser Hinsicht „ein neuralgischer Zeitpunkt“ sein, meinte Anselm. Maßnahmen müssten jedoch schon vorher auf dem Tisch liegen, um sie noch auf mögliche Fallstricke abklopfen zu können. Caritas-Generalsekretär Wachter hofft auf schnellere Tests für betroffene Betreuerinnen und Betreuer, notfalls direkt an der Grenze. Das Ansinnen der Regierung, betagte Hochrisikopatienten vor einer Ansteckung schützen zu wollen, leuchte ihm ein.

Mobile Dienste und Zivildiener als Überbrückung

Zur Überbrückung von allfälligen Wartezeiten, bis eine regulär zugeteilte Pflegekraft wieder arbeiten darf, könnten bald auch mobile Dienste, semi-stationäre Einrichtungen und Zivildiener stärker herangezogen werden, falls die strikte Grenzpolitik so in Kraft bleibt. „Die Kunden sind so verschieden, dass man auch nicht die eine Lösung für alles anbieten können wird“, sagte Anselm.

„Engpässe wird es sicher geben“

„Es passiert im Hintergrund einiges, da werden verschiedene Modelle diskutiert“, erklärte der Obmann der Fachgruppe Personenberatung und Personenbetreuung der Wirtschaftskammer, Andreas Herz. „Engpässe wird es sicher geben“, gab er zu, sieht das System jedoch prinzipiell gut gerüstet. „Überall dort, wo wir Agenturen haben, dort funktioniert es gut. Wo die Familie keine Agentur hat und mit der Betreuerin allein ist, dort wird es eher Probleme geben.“

Rund 33.000 pflegebedürftige Menschen

Laut den offiziellen Statistiken gibt es mehr als 25.000 pflegebedürftige Menschen, die eine Förderung für die 24-Stunden-Betreuung über das Sozialministeriumsservice beziehen. Weitere 8.000 Pflegebedürftige bekommen keine Förderung.