Menschen warten auf einem Boot im Mittelmeer darauf, von der spanischen NGO Maydayterraneo gerettet zu werden.
PABLO GARCIA / AFP / picturedesk.com
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EU-Kommission

Sondierungen zu Migrationspakt in Wien

Der für die Migration zuständige Vizepräsident der EU-Kommission, Margaritis Schinas, hat heute in Österreich einen neuen Anlauf in der EU-Asylpolitik ausgelotet.

Ziel der Gespräche ist nach Angaben der EU-Kommission die Vorbereitung des von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigten „Pakts für Migration und Asyl“. Er soll in den nächsten Wochen vorgestellt werden.

Geplante Treffen

Geplant waren in Wien Treffen von Schinas und EU-Innenkommissarin Ylva Johansson mit Innenminister Karl Nehammer, Außenminister Alexander Schallenberg, EU-Ministerin Karoline Edtstadler, Integrationsministerin Susanne Raab (alle ÖVP) sowie Justizministerin Alma Zadic (Grüne). Schinas kam am Nachmittag außerdem noch zu einem Gespräch mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Bundeskanzleramt zusammen, bei dem es um Sicherheit, Migration, Bildung und Integration geht. Den Abschluss der Visite bildet ein Treffen mit Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP). Johansson traf den Direktor der in Wien ansässigen Grundrechteagentur, Michael O’Flaherty, sowie Vertreter von Nicht-Regierungsorganisationen.

Pakt mit drei Komponenten

Der „Pakt für Migration und Asyl“ werde drei Komponenten umfassen, kündigte Schinas heute bei einer Diskussion in der Diplomatischen Akademie an: Erstens eine Außendimension, wo die EU mehr als bisher in der Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitländern in Afrika und in der Nachbarschaft tun müsse, zweitens einen „robusten Außengrenzschutz“ und drittens Solidarität. Die bisherigen Asylgesetze und die Erstzuständigkeit nach den Dublin-Regeln seien nicht mehr zeitgemäß sondern stammten aus einer Zeit, in der es nur wenig Asylgesuche gegeben habe. Europa werde weiterhin eine Zieldestination für Migranten bleiben und stehe „im Zentrum einer weltweiten Migrationsbewegung“. Wer kein Anrecht auf Asyl in Europa habe, „kann nicht bei uns bleiben“, sagte Schinas. Die EU müsse mehr Rückführungen durchführen.

Kampf gegen illegale Migration und gegen Schlepperunwesen

EU-Ministerin Edtstadler betonte laut einem Sprecher den Kampf gegen die illegale Migration und gegen das Schlepperunwesen. Österreich wolle innerhalb der EU zudem Brückenbauer sein. Edtstadler trete für eine verpflichtende Solidarität ein, wobei die Mitgliedsstaaten die Art ihrer Beiträge – Flüchtlingsaufnahme, finanzielle Unterstützung oder Entsendung von Personal – selbst entscheiden sollten. Edtstadler habe auch den Kampf gegen Antisemitismus als gesamteuropäische Aufgabe betont.

„Integration durch Leistung“

Schwerpunkte des Austausches mit Raab waren laut einem Ministersprecher die Themen Migration, Integration und Islamismus. Insbesondere sei der Zugang Österreichs mit dem Motto „Integration durch Leistung“ besprochen worden. Es habe Einigkeit bestanden, dass dies der beste Zugang sei, sagte ein Sprecher der Ministerin. Auch der Kampf gegen antidemokratische Tendenzen wie den politischen Islam in Europa sei diskutiert und als gemeinsames Ziel definiert worden.

Effizienter Außengrenzschutz

Für Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) sei ein effizienter Außengrenzschutz vorrangig. „Eine verpflichtende Verteilung von Asylwerbern lehnen wir klar ab“, sagte Nehammer nach dem Treffen mit Schinas und Johansson. „Wir müssen alles gegen neue Migrationskrisen tun, etwa gerade jetzt gemeinsam mit den Ländern entlang der östlichen Mittelmeerroute“, sagte Nehammer laut Aussendung. Zum Schutz der EU-Außengrenze sei vor allem eine raschere Stärkung der EU-Grenzschutzagentur Frontex notwendig – sowohl personell als auch technisch. „Österreich ist bereit, dazu einen wesentlichen Beitrag zu leisten“, sagte der Innenminister. Er forderte eine EU-Asylreform, bei der das Wort „Asyl“ nicht die Außengrenze für illegale Migration öffnen dürfe und bei der eine „flexible Solidarität“ im Zentrum stehen solle.

Schinas zählt auf Österreich

Schinas berichtete indes von einem „exzellenten Treffen“ mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Rahmen seines Besuchs in Wien. „Wir waren uns einig, dass wir einen die gesamte Route umfassenden Ansatz zu Migration in der EU brauchen. Es ist Zeit für einen Neustart bei diesen Dossiers, der alle unterschiedlichen Realitäten der EU-Mitgliedstaaten berücksichtigt. Ich zähle auf Österreich, dass wir diese Arbeit gemeinsam voranbringen“, twitterte der aus Griechenland stammende EU-Kommissar.

Weniger Grenzübertritte in EU auf Hauptmigrationsrouten

Die Zahl der unerlaubten Grenzübertritte in die EU auf den Hauptmigrationsrouten ist im Jänner 2020 im Vergleich zum Vormonat gesunken. Auf dem Fluchtweg über das zentrale Mittelmeer nach Italien und Malta hingegen wurde eine Zunahme im Vergleich zum Dezember registriert, wie die EU-Grenzschutzagentur Frontex laut dpa heute in Warschau mitteilte. Demnach betrug die Gesamtzahl der registrierten illegalen Grenzübertritte im Jänner 8.800 – das waren 41 Prozent weniger als im Dezember und etwa genauso viele wie im Jänner 2019.

Sondierungen bei Hauptstädte-Tour

Schinas und Johansson sondieren derzeit im Rahmen einer Hauptstädte-Tour durch Europa die Befindlichkeiten der EU-Staaten. Österreich und mehrere osteuropäische Staaten lehnen eine verpflichtende Flüchtlingsverteilung in der EU ab.