Silhouetten von Migranten am Austragungsort der internationalen Konferenz zum UN-Migrationspakt in Marrakesch, Marokko (11.12.2018)
FETHI BELAID / AFP / picturedesk.com
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UNO-Migrationspakt

Über 150 Staaten weltweit für globalen Vertrag

Der Globale Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration ist eine rechtlich nicht bindende internationale Vereinbarung. Damit sollten die Flucht- und Migrationsbewegungen mit vereinten Kräften bewältigt werden, der Schutz von Migranten und Flüchtlinge im Vordergrund stehen.

Ende Dezember 2018 wurde der UNO-Pakt offiziell verabschiedet. Mehrere Länder, unter ihnen Österreich, traten nicht bei.

Die Entstehung des Pakts

Die UNO-Vollversammlung – die 193 UNO-Mitgliedstaaten, darunter auch Österreich – verabschiedete am 19. September 2016, auch auf Anregung des damaligen US-Präsidenten Barack Obama, ein Paket von Verpflichtungen zur Verbesserung des Schutzes von Flüchtlingen und Migranten wie etwa die bessere Organisation von Flüchtlingsströmen oder die Stärkung der Rechte der Betroffenen.

Diese Erklärung von 2016, die auch die „New Yorker Erklärung für Flüchtlinge und Migranten“ genannt wird, beinhaltet zwei Anhänge, die schlussendlich zu zwei globalen Vereinbarungen führen sollten: ein Globaler Pakt für Flüchtlinge sowie ein Globaler Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration („Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration“).

Inhalt des Pakts

Die UNO-Vollversammlung einigte sich mit Ausnahme der USA am 13. Juli 2018 auf einen Entwurf des ersten globalen Migrationspakts. Von den 23 Zielen, die auf 34 Seiten festgehalten werden, sind einige sehr allgemein gehalten: „Schwachstellen der Migration“ sollen „angegangen und verringert“, die „grenzüberschreitende Antwort auf Migrantenschmuggel“ soll gestärkt werden. Andere Punkte sind konkreter, etwa das Ziel, politische Richtlinien auf Grundlage „genauer und aufgeschlüsselter Daten“ zu entwickeln. So auch die Absicht, „Sozialversicherungsansprüche und erworbene Versorgungsleistungen“ von Land zu Land übertragbar zu machen.

Keine völkerrechtliche Bindung

Betont wird in dem Papier auch, dass die Souveränität der Nationalstaaten und ihr Recht auf eine selbstständige Gestaltung ihrer Migrationspolitik durch den Pakt nicht angetastet werden soll und keine völkerrechtliche Bindung bestehe.

Weltweit 271,6 Millionen Migranten

Der Migrationspakt ist deshalb so einzigartig, weil bisher keine entsprechenden Abkommen verabschiedet wurden. Die internationale Organisation für Migration (IOM) beziffert die Anzahl der Migranten weltweit auf 271,6 Millionen – rund 3,5 Prozent der Weltbevölkerung (Stand: Mitte 2019).

Abstimmung in Marrakesch und New York

164 UNO-Mitgliedsstaaten nahmen den Pakt am 10. Dezember 2018 in der marokkanischen Hauptstadt an. Bei der UNO-Vollversammlung am 19. Dezember 2018 stimmten 152 Staaten dafür, 5 dagegen. 12 Länder enthielten sich und 24 Staaten nahmen an der Konferenz nicht teil.

Angst um die nationale Souveränität

Vor Inkrafttreten haben mehrere Staaten beschlossen, aus dem Vertrag auszusteigen. Die USA zogen sich auf Anordnung von Präsident Donald Trump noch vor Beginn der formellen Verhandlungen zurück, Ungarns rechtsnationale Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orbán folgte, als der Entwurf des Textes feststand. Die österreichische Bundesregierung zog, nachdem Österreich zuvor noch mit an Bord war, Ende Oktober 2018 nach und erklärte, dem Pakt fernzubleiben. Alle drei Länder argumentierten den Ausstieg ähnlich: Die nationale Souveränität müsse bewahrt werden.

Es folgten mehrere Länder

Im Anschluss sagten dann mehrere weitere Länder Nein zu dem Pakt oder enthielten sich der Stimme: Australien, Rumänien, Bulgarien, die Dominikanische Republik, Israel, Lettland, die Schweiz, Italien, Liechtenstein und die Visegrád-Staaten (Polen, Tschechien, Ungarn und die Slowakei). Brasilien steigt unter der Führung von Präsident Jair Bolsonaro wieder aus.

Politische Willenserklärung

Der „Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration“ stellt kein in sich geschlossenes System von verbindlichen Rechtsnormen dar. Vielmehr ist das Dokument eine politische Willenserklärung. Es geht darum, sich zu einer gemeinsamen, globalen Verantwortung für das Thema Migration zu bekennen. Von einzelnen Punkten können sich Staaten auch distanzieren, ohne ihre Unterstützung für das Papier ganz aufgeben zu müssen.

Debatte in Österreich

Die Entscheidung der damaligen türkis-blauen Regierung, dem Pakt nicht beizutreten, war in Österreich umstritten. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und der damalige Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) argumentierten, dass die Souveränitätsrechte Österreichs bedroht seien und verwiesen auf das Völkergewohnheitsrecht. Auch die Vermischung von Schutzsuchen und Arbeitsmigration wurde als unzulässig bezeichnet. Strache betonte auch, dass der Beitritt ein „Bruch der Regierungsvereinbarung“ gewesen wäre – das Vertragswerk stünde im diametralen Widerspruch zum türkis-blauen Koalitionsabkommen, hieß es damals.

Bundespräsident zeigte sich kritisch

Bundespräsident Alexander Van der Bellen dagegen sah die Ablehnung kritisch. Van der Bellen fürchtete einen „drohenden Verlust von Ansehen und Glaubwürdigkeit Österreichs auf internationaler Ebene“. Unterstützung erhielt der Bundespräsident vom ÖVP-Europapolitiker Othmar Karas. Auch Ex-Vizekanzler Erhard Busek (ÖVP) sah es als „schwer erklärbar“, dass sich Österreich „verabschiedet, nachdem Kurz mitgewirkt hat“. Das sei der „Preis der Koalition“, so Busek. Im Wiener Außenministerium gab es eine Gruppe, die sich gegen die Entscheidung der ÖVP-FPÖ-Regierung stellte.

Furcht vor Gewohnheitsrecht unbegründet

Völkerrechtler sind fast einhellig der Meinung, dass die „Furcht“ vor dem Gewohnheitsrecht unbegründet ist. Zwar ist das Thema in der Literatur umstritten, die meisten Definitionen halten für die Herausbildung von Völkergewohnheitsrecht jedoch das über einen längeren Zeitraum einheitlich ausgeführte praktische Handeln von Rechtssubjekten für konstitutiv. Damit sich eine solche Staatenpraxis entwickelt, braucht es aber „Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte“, erklärte Andreas Schloenhardt von der Universität Queensland im „Standard“. In dem UNO-Migrationspakt gebe es zudem kaum Punkte, aus denen sich so einfach bestimmte praktische Handlungen der Staaten ergeben könnten. Internationales Gewohnheitsrecht erstreckt sich laut Schloenhardt zumeist „auf kleine Bereiche, die sich mit zwischenstaatlichen Konflikten befassen“.

Der UNO-Flüchtlingspakt

Deutlich weniger kontrovers ist hingegen der vom Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) ausverhandelte UNO-Flüchtlingspakt, zu dem Österreich sich bekennt. Dieser beinhaltet vier zentrale Ziele: "Den Druck auf die Aufnahmeländer mindern, die Eigenständigkeit und Widerstandsfähigkeit von Flüchtlingen fördern, den Zugang zu Resettlement (Umsiedelung) und anderen humanitären Aufnahmeprogrammen in Drittstaaten ausweiten sowie die Bedingungen fördern, die eine Rückkehr in das Heimatland in Sicherheit und Würde ermöglichen.“