Marsch der Freiheit im Dezember 1989
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1989

„Marsch der Freiheit“ von Bratislava nach Hainburg

Wenige Tage nach der Ankündigung des Abbaus des Eisernen Vorhangs machten sich vor 30 Jahren zehntausende Slowaken auf, um zu Fuß über die Grenze nach Österreich zu kommen.

Mit dem „Marsch der Freiheit“ von Bratislava bis ins 15 Kilometer entfernte Hainburg an der Donau feierten die Menschen am 10. Dezember 1989 ihre Rückkehr nach Europa.

120.000 Menschen kamen

Österreich war an diesem zweiten Adventsonntag in vorweihnachtlicher Stimmung und die Einwohner der niederösterreichischen Stadt Hainburg völlig überrascht, als am Nachmittag die ankommenden fröhlichen Menschenmassen mit tschechoslowakischen Fahnen immer mehr anwuchsen. Die Behörden hatten offiziell mit 10.000 Bürger aus der Tschechoslowakei gerechnet. Schließlich kamen aber 120.0000 Menschen.

„Bundesstraße 9 war gesteckt voll von Menschen“

„So etwas haben wir noch nie gesehen. Ab 10.15 Uhr riss die Menschenschlange, die bei uns über die Grenze kam, nicht ab. Die Bundesstraße 9 war gesteckt voll von Menschen“, erklärte ein Sprecher vom Grenzübergang Berg damals gegenüber der APA. Trotzdem blieb alles friedlich.

Friedlicher Systemwechsels in Tschechoslowakei

Bereits am Vortag waren einzelne Tschechen und Slowakei als Tagestouristen nach Wien und Salzburg gekommen, zum Einkaufen und Schauen. Der 10. Dezember – der Internationalen Tag der Menschenrechte – wurde aber zu einer der historischen Großkundgebungen des friedlichen Systemwechsels in der Tschechoslowakei. Am selben Tag ernannte der tschechoslowakische Präsident Gustáv Husák die neue föderale Regierung und trat zurück.

Studenten und Oppositionsbewegung

Organisiert wurde die Wanderung von den Hauptakteuren des Umbruchs in der Slowakei: den Studenten und der Oppositionsbewegung Öffentlichkeit gegen Gewalt (VPN). An der Spitze des friedlichen Zugs marschierten die prominente Dissidenten und Führungsfiguren der VPN, der Umweltaktivist Ján Budaj und der Schauspieler und spätere Kulturminister Milan Kňažko.

„Ahoj Europa!“

Für die Menschen in Hainburg war es ein Freundschaftstreffen der jahrzehntelang getrennten Nachbarn. Für die Dissidenten ging es bei dem Marsch aber um nichts weniger als die Rückkehr nach Europa. Ján Budaj erklärte in seiner Rede in Hainburg: „Heute sind wir nach Österreich hinüberspaziert und zugleich haben wir für alle Slowakei und Tschechen den symbolischen Schritt nach Europa gemacht. Ahoj Europa!“

Öffnung des Stacheldrahts

Ein riesiges Herz, das der Künstler Daniel Brunovský aus dem Stacheldraht des Grenzzauns geformt hatte, wurde nach Hainburg gebracht. Eine Woche nach der Marsch nach Hainburg durchschnitten der damalige Außenminister Alois Mock (ÖVP) und sein tschechoslowakischer Amtskollege Jiří Dienstbier dann beim Grenzübergang Kleinhaugsdorf-Hate offiziell den Stacheldraht des Eisernen Vorhangs mit einer Zange. Das Bild ging als Sinnbild für das Ende des Kalten Krieges um die Welt.

1993 Trennung von Tschechien und Slowakei

Die Samtene Revolution in der Tschechoslowakei endete Ende Dezember mit der Wahl von Alexander Dubček, Symbolfigur der Reformbewegung „Prager Frühling“ der 1960er-Jahre, zum Parlamentspräsidenten und des Dramatikers und Dissidenten Václav Havel zum Präsidenten. Zwei Jahre später kam es am 1. Jänner 1993 zur friedlichen Trennung der Tschechoslowakei in die beiden Nachfolgestaaten Tschechien und Slowakei.