Aktivistin

Frieden heißt in Afghanistan derzeit nur Überleben

„Für Menschen in Afghanistan bedeutet der Frieden im Moment nur keine Explosionen, kein Sterben. Wir wissen aber, dass der Frieden viel mehr als das ist“, sagt Sahar Fetrat, Aktivistin und Filmemacherin aus Afghanistan in einem Interview für die APA.

Fetrat glaubt nicht, dass die kürzlich angekündigten neuerlichen Friedensgespräche zwischen den Taliban und den USA eine positive Kehrtwende mit sich bringen können.

„Das ganze Narrativ ist sehr dumm“

„Das ganze Narrativ ist sehr dumm: zuerst ins Land einmarschieren und die Taliban als Terroristen bezeichnen, sich 18 Jahre später zurückziehen und am Ende Friedensgespräche mit ihnen führen“, so Fetrat. Die afghanische Bevölkerung sei allen egal, aber sobald einem amerikanischen Soldaten etwas passiere, seien die Friedensgespräche vorbei. „Das ist ein Scherz“, sagte Fetrat. Afghanistan sei nach wie vor nur ein Teil des politischen Programms der USA – je nachdem, was das aktuelle Programm ist.

Atmosphäre der Angst und Spannung

Die 24-jährige Aktivistin, die derzeit in Budapest Gender Studies studiert, erzählte auch über ihren Heimatsbesuch im Sommer. Dort herrsche eine Atmosphäre der Angst und Spannung, vielmehr als in den vergangenen Jahren. Menschen würden ständig über die Friedensverhandlungen reden und darüber, was passieren könnte, wenn die Taliban politisch an die Macht kämen. In den letzten Jahren sind vor allem soziale Medien zu einer wichtigen Informationsquelle geworden und zu einem Ort, wo ein freier Austausch noch em ehesten möglich ist. Die meisten Leute würden dort auf Englisch schreiben. „Ich glaube, wir haben immer das Gefühl, dass wir mit dem Westen kommunizieren“, sagte Fetrat.

Kampf für Frauenrechte

Ein Problem sieht die Filmemacherin auch im Umgang westlicher Medien mit Afghanistan. Die Medienvertreter würden die Leute heroisieren und romantisieren, etwa dadurch, dass sie Frauen als „die erste Frau, die dies und das gemacht hat“ darstellen würden. Bereits als Jugendliche kämpfte Fetrat für die Frauenrechte in ihrem Land. Mit 17 Jahren drehte sie ihre erste Doku über die Straßengewalt gegen Frauen in Afghanistan. Das Werk stieß zwar auch auf viel Widerstand, verzeichnete aber auch große Erfolge: seitdem sei das Thema im afghanischen Fernsehen und in den sozialen Netzwerken viel präsenter, und die Frauen würden sich viel mehr trauen, über die Gewalt zu sprechen. Afghanistan bleibt aber nach wie vor ein gefährliches Land für Frauen. Laut Thompson Reuters Foundation ist Afghanistan das zweitgefährlichste Land für Frauen – nach Indien und vor Syrien. In den Kategorien häusliche Gewalt, Gesundheit und Diskriminierung kommt Afghanistan sogar an ersten Stelle.

Ankündigung von Friedensverhandlungen

Vergangene Woche kündigte der US-Präsident Donald Trump bei einem unerwarteten Besuch bei US-Truppen nördlich von Kabul neue Friedensverhandlungen mit den Taliban an. Die Ankündigung kam rund drei Monate nach dem Abbruch von Gesprächen mit den militanten Islamisten. Details nannte Trump nicht.