Menschen in der Fußgängerzone (22.1.2008)
HANS KLAUS TECHT / APA / picturedesk.com
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Industriellenvereingung

Strategie für qualifizierte Zuwanderung

Die Industriellenvereinigung (IV) fordert von der nächsten Regierung eine Strategie für qualifizierte Zuwanderung und Ausbildung.

Dazu sollte ein eigenes Staatssekretariat für Zuwanderung und Integration geschaffen werden, wie es der ehemalige Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bereits einmal innehatte, sagte IV-Präsident Georg Kapsch heute bei einer Pressekonferenz in Wien.

Hoher Fachkräftebedarf

Ex-Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP), Generaldirektor des International Center for Migration Policy Development (ICMPD), präsentierte die Ergebnisse einer im Auftrag der IV erstellten Studie. Demnach macht die Bevölkerungsentwicklung in Österreich bis zum Jahr 2050 qualifizierte Zuwanderung und Ausbildung sowie Erhöhung der Teilnahme am Arbeitsmarkt notwendig für den Wirtschaftsstandort. Österreich habe einen hohen Fachkräftebedarf, die Wirtschaft brauche qualifizierte Arbeitskräfte, sagte Spindelegger.

Mehrwert qualifizierter Zuwanderung

Angesprochen auf seine Wünsche für die Koalitionsverhandlungen meinte Kapsch, er werde jetzt keine Koalitionsaussage treffen, „aber es muss eine Variante sein, die genau diese Themen unterstützt“. Natürlich sei er nicht so blauäugig um zu erwarten, dass die IV-Forderungen zu 100 Prozent umgesetzt werden. Dem IV-Chef und Industriellen geht es um eine Kommunikationsstrategie nach innen und außen: In Österreich müsse man den Menschen die Ängste nehmen und ihnen den Mehrwert qualifizierter Zuwanderung erklären, weil diese nämlich den Wohlstand sichern könne. Nach außen müsse sich Österreich als weltoffenes Land präsentieren, und gleichzeitig klar darlegen, nach welchen Prinzipien hier gelebt werde.

„Es braucht erhöhte Teilnahme am Arbeitsmarkt“

Österreich habe bis zum Jahr 2050 zwar eine vergleichsweise günstige demografische Prognose, aber trotzdem werde die Bevölkerung im Erwerbstätigenalter sinken, erläuterte Spindelegger. Gleichzeitig werde die Gesamtbevölkerung auf 9,7 Millionen Bürger steigen, da das Lebensalter steige. „Es braucht erhöhte Teilnahme am Arbeitsmarkt“, so Spindelegger. Die Zahl der offenen Stellen in Österreich wachse ständig: Laut Statistik Austria gab es im Jahr 2018 120.800 offene Stellen, der Fachkräfteradar der Wirtschaftskammer ortet einen Bedarf von rund 162.000 Fachkräften in Österreich.

Erhöhung der Binnenmobilität innerhalb Europas

Um dem Fachkräftemangel zu begegnen empfiehlt die Studie 14 Handlungsfelder, darunter die Erhöhung der Binnenmobilität innerhalb Europas. Nur vier Prozent der Europäer leben und arbeiten derzeit in einem anderen Land, so Kapsch. Während es in einigen Ländern Arbeitskräftemangel gebe hätten andere Länder hohe Arbeitslosigkeit. Wenn dies etwas ausgeglichener wäre könnte die Wirtschaft dort, wo sie sie brauche, mehr Fachkräfte bekommen. Kapsch spricht sich für Partnerschaften mit anderen Ländern inner- und außerhalb der EU aus, um dort gezielt Leute fachlich und sprachlich auszubilden, die dann in Österreich arbeiten könnten.

Jugendarbeitslosigkeit als Versagen des Bildungssystems

Doch auch in Österreich müsse viel getan werden: Die Jugendarbeitslosigkeit sei primär auf ein Versagen des Bildungssystems zurückzuführen, geht der IV-Chef mit dem heimischen Schulsystem hart ins Gericht. Die Wirtschaft übernehme hier zunehmend Aufgaben bei der Ausbildung der Jugendlichen, die das Bildungssystem nicht bewältigt habe. Weiters solle die Erwerbsquote der Frauen erhöht und möglichst viele Frauen zur Technik gebracht werden.

Neuregelung für Asylwerber in Lehre

Die Rot-Weiß-Rot-Card für die Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte aus Drittstaaten gehöre nicht abgeschafft, aber das Verfahren sollte gestrafft werden, fordert Kapsch. Diesbezüglich gerate Österreich im Vergleich mit der Schweiz ins Hintertreffen. Zu Asylwerbern in Lehre hat Kapsch einen klaren Standpunkt: Es sei unsinnig, Menschen hier auszubilden und dann hinauszuwerfen. Das sei abgesehen von der menschlichen Komponente auch eine wirtschaftlich dumme Vorgangsweise, weil man dann von dem in die Ausbildung investierten Geld nichts mehr habe. „Ich war immer ein Befürworter, dass Asylwerber, die hier eine Lehre begonnen haben, diese auch fertig machen können.“ Grundsätzlich sollte man für so einen Fall das Gesetz adaptieren, nicht das Gesetz umgehen, fordert er eine Neuregelung.