Migranten warten auf die Abfahrt von der griechischen Insel Lesbos auf das Festland. (2.9.2019)
STRINGER / AFP / picturedesk.com
STRINGER / AFP / picturedesk.com
Migration

Athen ruft EU zur Aufnahme von Kindern auf

Griechenland hat die anderen EU-Staaten aufgerufen, zumindest minderjährige Migranten aus den Lagern in der Ägäis aufzunehmen. Dort sind zurzeit mehr als 24.000 Menschen untergebracht, darunter rund 40 Prozent Minderjährige unter 17 Jahren.

„Es kann nicht sein, dass ein Land sich weigert, 50 oder 100 Kinder aufzunehmen“, sagte Regierungschef Kyriakos Mitsotakis heute im TV-Sender ERT. Mitsotakis kritisierte zudem die Drohung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, die Grenzen nach Europa für syrische Flüchtlinge zu öffnen. Wenn Erdoğan das Abkommen mit der EU neu aushandeln möchte, dann könne man darüber sprechen. „Nicht aber mit Drohungen und mit einer Sprache, die nicht mit guter Nachbarschaft im Einklang steht“, betonte der konservative Politiker. Die EU habe der Türkei bereits sechs Milliarden Euro wegen der Migrationsgewegung überwiesen.

Maßnahmen gegen bestimmte Staaten

Mitsotakis forderte die EU auf, Maßnahmen gegen jene Staaten zu ergreifen, die sich weigern, Minderjährige aufzunehmen. „Einige Staaten wollen alle Vorteile der Bewegungsfreiheit im Schengen Raum haben, sie weigern sich aber, die Lasten zu teilen“, sagte er. Vor allem das Problem mit den Kindern liege ihm am Herzen.

Von gestern Morgen bis heute Mittag Ortszeit setzten nach Angaben der griechischen Küstenwache 332 Migranten zu den Inseln, Rhodos, Kalymnos, Samos, Farmakonisi und Lesbos und damit auch in die EU über. In den für insgesamt rund 6300 Menschen ausgelegten Registrierlagern auf den Inseln Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos leben bereits mehr als 20.000 Menschen. Weitere 4.000 Menschen sind in kleineren Lagern und Wohnungen untergebracht. Im August setzten nach Angaben des UNO-Flüchtlingshilfswerks UNHCR 8.103 Menschen aus der Türkei zu den griechischen Ägäis-Inseln über. Im August 2018 kamen knapp 3.200.

Erdoğan droht „Tore“ zu öffnen

Wegen der Drohungen Erdoğans wird eine verstärkte Fluchtbewegung befürchtet. Der türkische Präsident hatte gestern erklärt, sein Land könne einen möglichen weiteren Flüchtlingszustrom aus Syrien nicht alleine bewältigen. Er appellierte an die EU, genügend finanzielle Unterstützung bereitzustellen. „Entweder Sie teilen diese Last oder wir müssen die Tore öffnen“, sagte Erdoğan.

ÖVP und FPÖ ablehnend gegenüber Erdoğan

In Österreich hatten ÖVP-Chef Sebastian Kurz und die EU-Sprecherin der FPÖ, Petra Steger, ablehnend auf die Forderungen Erdoğans reagiert. Auch die nicht amtsführende Wiener Stadträtin Ursula Stenzel übte gestern Abend bei einem Identitärenaufmarsch zum Gedenken an das Ende der Zweiten Türkenbelagerung im Jahr 1683 scharfe Kritik an Erdoğan, der die EU in der Flüchtlingsfrage „unter Druck setzt“.

Flüchtlingspakt zwischen EU und Türkei

Die Türkei hat seit Beginn des Bürgerkrieges im Nachbarland Syrien 2011 rund 3,6 Millionen Flüchtlinge aufgenommen, mehr als jedes andere Land der Welt. Der im März 2016 geschlossene Flüchtlingspakt zwischen der EU und der Türkei sieht vor, dass die EU alle Migranten, die illegal über die Türkei auf die griechischen Inseln kommen, zurückschicken kann. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 hatte es Tage gegeben, an denen rund 7000 Migranten über die Türkei griechische Inseln erreichten.

Neue Regierung will Asylanträge beschleunigen

Die Bearbeitung der Asylanträge kommt wegen Personalmangels jedoch auch heute nur mühsam voran. Die im Juli abgelöste linke Regierung in Athen unter Ex-Premier Alexis Tsipras hatte wiederholt erklärt, sie habe nicht genügend Sachbearbeiter, um Asylverfahren voranzubringen. Die neue konservative griechische Regierung hat angekündigt, die Asylverfahren zu beschleunigen. Wer kein Asyl bekommt, soll sofort in die Türkei zurückgeschickt werden. Für die Bearbeitung der Asylanträge soll es mehr Personal geben. „Wir werden das Verfahren beschleunigen, ohne Menschenrechte zu verletzen“, sagte Regierungschef Mistotakis.