US-Literatin Toni Morrison anlässlich einer Pressekonferenz im Pariser Louvre. (8.11.2006)
FRANCOIS GUILLOT / AFP / picturedesk.com
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Literatur

„Amerikas Gewissen“ – Toni Morrison gestorben

Toni Morrison ist tot. Die 1993 als erste Afroamerikanerin mit dem Literaturnobelpreis gekrönte Schriftstellerin verstarb Montag Nacht im Alter von 88 Jahren, wie ihre Familie mitteilte.

Morrison galt nicht nur als Autorin mit einem millionenfach verkauften Werk, sondern auch als moralisches „Gewissen Amerikas“. So meldete sie sich bis ins hohe Alter zu den US-Zuständen zu Wort.

Diskussion über Rassismus noch lange nicht vorbei

Das Rassismusthema blieb stets eines der dominanten für die am 18. Februar 1931 in Ohio geborene Morrison. Die Diskussion über Rassismus sei noch lange nicht vorbei, hatte die Autorin im Interview mit dem britischen „Telegraph“ beschieden: „Ich will sehen, wie ein schwarzer Polizist einen unbewaffneten weißen Teenager in den Rücken schießt. Und ich will sehen, wie ein weißer Mann verurteilt wird, der eine schwarze Frau vergewaltigt hat. Und wenn man mich dann fragt: ‚Ist es vorbei?‘, dann sage ich: ‚Ja.‘“

Literatur-Nobelpreisträgerin Toni Morrison bei einer Veranstaltung in Paris (5.11.2010)
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Optimismus wegen „Black Culture“

Zugleich beurteilte Morrison die Entwicklung nicht rundheraus negativ. Optimistisch mache sie, dass die Menschen im Ghetto, oder solche, die marginalisiert werden in den USA dennoch eine eigenen Kultur in ihrer Sprache oder Musik entwickeln würden, und so eine „Black Culture“ geschaffen hätten, die jetzt auf der ganzen Welt existiere, wie sie bei einem Wien-Besuch 2006 meinte.

„Beim Schreiben bin ich frei von Schmerzen“

Aber nicht nur als Kommentatorin, sondern auch Schriftstellerin waren die Augen der US-Gesellschaft auf Morrison gerichtet. 2015 wurde ihr letzter Roman „God Help the Child“ gefeiert. Und auch danach ließ Morrison, die zuletzt auf den Rollstuhl angewiesen war, nicht vom Schreiben. „Beim Schreiben bin ich frei von Schmerzen“, sagte die große selbstbewusste Frau mit den dichten grauen Haaren in einem Radiointerview. Zugleich stand bei Morrison stets auch der genießerische Effekt ihrer Literatur im Fokus: „Ich schreibe so, dass der Leser meine Worte lustvoll genießen kann, kostet, dann pausiert und schließlich weiter schwelgt.“

US-Präsident Barack Obama verleiht der Literatin und Nobelpreisträgerin Toni Morrison die Medaille des Präsidenten Freiheit während einer Zeremonie im East Room im Weißen Haus in Washington. (29.5.2012)
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Beginn mit „Sehr blaue Augen“

Alles begann 1970 mit „Sehr blaue Augen“, dem Buch, das sie immer habe lesen wollen, das es aber noch nicht gab, wie Morrison gerne erzählte. Also stand die geschiedene alleinerziehende Mutter zweier kleiner Söhne jeden Morgen um vier Uhr auf und schrieb es. Danach ging sie zu ihrem Job als Lektorin in einem großen Verlagshaus. „Sehr blaue Augen“ wurde ein von Kritikern gefeierter Erfolg. 2006 wurden in Wien 100.000 Gratisexemplare des Werks im Rahmen der Aktion „Eine Stadt. Ein Buch“ verteilt, wofür die Autorin auch in die Bundeshauptstadt reiste. Nach dem Debüt folgten weitere Erfolgsromane wie „Sula“, „Salomons Lied“, „Teerbaby“, der Sklavenroman „Menschenkind“, „Jazz“ und das 500-Seiten-Werk „Paradies“, das viele Kritiker als Morrisons bestes ansehen.

Professorin an Eliteuniversität Princetown

Nebenbei lehrte die in der Kleinstadt Lorain im US-Bundesstaat Ohio als Chloe Wofford geborene Autorin jahrelang an der Eliteuniversität Princeton. Eigentlich hatte sie ihrem Verlag noch eine Autobiografie versprochen, doch dann entschied sich die enge Freundin von US-Präsident Barack Obama dagegen. Zu langweilig, zu wenig herausfordernd – und schließlich, so sagte sie in einem Interview, dürfe sie jetzt in ihren 80ern endlich drei Dinge sagen: „Nein“, „Halt die Klappe“ und „Hau ab“. Nun ist Toni Morrisons literarische Stimme verstummt.