Schoschana Rabinovici im Heimat Fremde Heimat-Interview (20.1.2015)
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Tel Aviv

Schoschana Rabinovici mit 86 Jahren gestorben

Die Holocaust-Überlebende, Zeitzeugin und Buchautorin Schoschana Rabinovici ist vor wenigen Tagen im Alter von 86 Jahren in Tel Aviv gestorben.

Dies wurde gestern von ihrem Sohn, dem Autor und Historiker Doron Rabinovici bestätigt. Lucienne Suzanne (Schoschana) Rabinovici wurde 1932 in Paris geboren und kehrt 1937 mit ihren Eltern ins heimatliche Wilna zurück. 1943, als sie elf Jahre alt war, wurde sie zusammen mit ihrer Mutter ins KZ Kaiserwald bei Riga verschleppt, 1944 ins KZ Stutthof bei Danzig. Mit ihrer Mutter überlebte sie den elftägigen Todesmarsch nach Tauentzien im Februar 1945, wo sie im April von der Roten Armee befreit wurden.

Schoschana Rabinovici im Heimat Fremde Heimat-Interview (20.1.2015)
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Shoah-Überlebende und Zeitzeugin

Ihre Geschichte als Überlebende der Shoa hat Schoschana Rabinovici erst viele Jahre später – 1994 – unter dem Titel „Dank meiner Mutter“ veröffentlicht. Nach dem Tod ihrer Mutter fuhr sie an die Orte ihres Leidens und fand dort die Bilder zu ihren unmenschlichen Kindheitserinnerungen. „Dann bin ich nach Hause gekommen nach Wien und habe das Buch geschrieben. Da habe ich das Gefühl gehabt, jetzt ist der Moment gekommen, wo ich weitererzählen muss“, sagte Rabinovici 2015 in einem „Heimat Fremde Heimat“-Interview.

„Wir haben ein Abkommen mit den Umgebrachten“

„Wir haben sozusagen ein Abkommen mit den Umgebrachten gemacht, nämlich dass wir weitersprechen werden“, betonte Rabinovici. „Jeder, der in den Tod gegangen ist, hat immer wieder gesagt: Der, der überleben wird, der soll weitererzählen“. Sie habe über diese Zeit ihres Lebens aber erst nach dem Tod ihrer Mutter zu sprechen begonnen. „Ich bin mit 13 Jahren befreit worden und war unter dem starken Einfluss von meiner Mutter und zu dieser Zeit hat man geglaubt, wenn man darüber nicht spricht, wird man vergessen. Meine Mutter hat es so geglaubt, aber das Nichtreden hilft überhaupt nicht, weil ich habe geträumt. Man kann die Sprache verbieten, aber die Träume kann man nicht verbieten“, sagte Rabinovici.

Schoschana Rabinovici gemeinsam mit anderen Zeitzeuginnen und Zeitzeugen vor der Aufführung „Die letzten Zeugen“ im Wiener Burgtheater (20.1.2015)
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„Die letzten Zeugen“ mit Rabinovici

Von ihren Erfahrungen während der Shoa hat sie auch 2013 im Rahmen des Projekts „Die letzten Zeugen“ im Wiener Burgtheater erzählt. Die Inszenierung stammte von Rabinovicis Sohn Doron und dem damaligen Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann. Darin berichtete sie etwa, wie ein Vater das eigene Baby erstickte, damit es nicht mit seinem Schreien die SS auf die Menschen in einem Ghetto-Versteck in Wilna aufmerksam machte. Obwohl Shoshana Rabinovici erst elf Jahre alt war, gelang es ihrer Mutter, sie bei der Selektion im Konzentrationslager auf die Seite der „Arbeitsfähigen“ zu schleusen.

1950 wanderten Mutter und Tochter nach Israel aus, wo Schoschana Rabinovici eine Familie gründete und als Physiotherapeutin arbeitete. 1964 übersiedelte sie mit ihrer Familie nach Wien.

Schoschana Rabinovici: Dank meiner Mutter. Ein Bericht vom Überleben der Wenigen in Ghetto, Konzentrationslagern und auf dem Todesmarsch. Aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler. Fischer Kinder- und Jugendtaschenbuch. 288 Seiten. 9,30 Euro. ISBN: 978-3-596-80571-6