Scharfe Kritik an Vorlage zur Mindestsicherung

Die Bundesregierung hat am Mittwoch im Ministerrat die Neuregelung der Mindestsicherung beschlossen. Opposition, Hilfsorganisationen und die SPÖ-Landeshauptleute reagierten mit scharfer Kritik.

Nach dem Beschluss des Grundsatzgesetzes für die neue „Sozialhilfe“, dem die Länder mit ihren Ausführungsgesetzen folgen müssen, gilt bis 1. Juni 2021 eine Übergangsfrist. Die Spitzen von ÖVP und FPÖ zeigten sich nach der Regierungssitzung hocherfreut. „Ich glaube, wir haben ein System geschaffen, das deutlich besser und gerechter ist“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) ortete „insgesamt eine Lösung, die Integration und Arbeitsbereitschaft fördert“.

Trotz heftiger nur kleine Änderungen

Trotz heftiger Kritik in der Begutachtung gab es nur kleine Änderungen im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf. Wichtigste Neuerung ist, dass der Bonus für Menschen mit Behinderungen von einer Kann- in eine Muss-Bestimmung umgewandelt wird. Die Höhe der Geldleistungen bleibt ebenso unverändert wie die Staffelung für Kinder und die Einschnitte für Zuwanderer mit schlechten Deutschkenntnissen.

Die monatliche Sozialhilfe wird wie ursprünglich angekündigt in der Höhe des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes gewährt, Alleinstehende erhalten damit 885,47 Euro. Die Brutto-Ausgleichszulage beträgt 933,06 Euro. In der Sozialhilfe wird jedoch nur die Höhe des Nettobetrages ausgezahlt, zu dem man gelangt, wenn man vom Bruttobetrag den Krankenversicherungsbeitrag (5,1 Prozent) abzieht.

SPÖ-Landeshauptleute erbost

Die Landeshauptleute der SPÖ-geführten Bundesländer zeigten sich erbost über das Vorgehen der türkis-blauen Bundesregierung. „Was uns in Wien sauer aufstößt, ist, wie mit den Bundesländern umgegangen wird“, sagte etwa Wiens Landeshauptmann Michael Ludwig. Er ließ ebenso wie der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil offen, ob man das Gesetz umsetzen oder rechtliche Schritte einleiten werde. Dass man den Dialog mit den Bundesländern verweigert habe, ließ Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) nicht gelten. Es habe viele Gespräche und den Begutachtungsprozess gegeben, auch für Anfang April seien die Soziallandesräte eingeladen.

ÖVP-Länderchefs zufrieden

Auch mehrere ÖVP-Länderchefs verteidigten das Vorgehen der Bundesregierung. „Wir haben ein gutes Einvernehmen“, betonte der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer. Auch Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer hielt fest, er sei „grundsätzlich froh, wenn es eine österreichweit einheitliche Lösung gibt“. Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner hielt die Klage der SPÖ-geführten Bundesländer, dass die Länder zu wenig eingebunden worden seien, ebenfalls nicht für gerechtfertigt. Durchaus zufrieden mit der Regierungsvorlage zeigten sich auch Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) und Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP). Auch der ÖVP-Arbeitnehmerbund ÖAAB begrüßte das geplante Gesetz, weil es mehr Gerechtigkeit bringe.

Kritik von mehreren Soziallandesräten

Deutliche Kritik kam dagegen von mehreren Soziallandesräten: Wiens Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) sprach von einer „Destruktion des Sozialsystems“, die grüne Wiener Sozialsprecherin Birgit Hebein von einem „Armutsförderungsgesetz“. Dass der Regierungsbeschluss zur Sozialhilfe am heutigen Mittwoch fiel, die Sozialministerin die Länder aber erst für 8. April zum Gespräch geladen hat, empfindet die Kärntnerin Beate Prettner (SPÖ) als „Verhöhnung“. Der Salzburger Heinrich Schellhorn (Grüne) war ebenfalls verärgert, dass man vier Wochen vorher vor vollendete Tatsachen gestellt wurde.

Oppositionsparteien unzufrieden

Höchst unzufrieden mit dem Regierungsentwurf zur Mindestsicherung waren auch die Oppositionsparteien - allerdings mit unterschiedlichen Kritikpunkten. SPÖ, JETZT und Grüne kritisierten scharf die Kürzungen für Kinder. Den NEOS missfällt vor allem, dass ohne Einbindung der Länder „der Fleckerlteppich einzementiert“ werde.

Soziale Unsicherheit werde erhöht

Auch Hilfsorganisationen lehnen das Sozialhilfe-Vorhaben der Regierung entschieden ab. Österreich verabschiede sich damit vom Ziel der Armutsbekämpfung, stellte Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger fest. Die soziale Unsicherheit werde erhöht und die Schere zwischen Arm und Reich vergrößert, kritisierte die Armutskonferenz. Auch der Arbeiter-Samariter-Bund und SOS Mitmensch äußerten scharfe Kritik. Das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR „bedauerte“ den Ministerratsbeschluss zur Sozialhilfe - denn auch Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte bräuchten ein tragfähiges Auffangnetz.

Entwurf für Städtebund „unzureichend“

Der Österreichische Städtebund kritisierte den Gesetzesentwurf ebenfalls als „unzureichend“. Die in der Stellungnahme des Städtebunds geäußerten Bedenken seien zum Großteil offenbar nicht berücksichtigt worden, hieß es in einer Aussendung.