Unterricht für Schüler mit Fluchterfahrung geprüft

Teils unkoordinierte Maßnahmen kritisieren Rechnungshof (RH) und Wiener Stadtrechnungshof in Berichten zum Unterricht von geflüchteten Kindern und Jugendlichen.

So konnten die Prüfer etwa keine definitive Zahl an Schülern feststellen, die in Folge der Fluchtbewegung ab 2015 nach Österreich kamen. Immerhin 22 Prozent der Sprachförderlehrer unterrichteten ohne einschlägige Ausbildung.

Verbindliche Kriterien bei Erfassung

Obwohl das Bildungsministerium am Höhepunkt der Fluchtbewegung ab Herbst 2015 mit den Landeschulräten (heute Bildungsdirektionen) abgemacht hatte, die Anzahl der Flüchtlinge zu erheben, die neu ins Schulsystem kamen, scheiterte dies an fehlenden Vorgaben und Definitionen. So fielen für Wien etwa Kinder und Jugendliche aus Afghanistan, Syrien, Irak, Iran und Somalia darunter. Zukünftig brauche es hier bundesweit verbindliche Kriterien, hält der RH in seinem am Freitag veröffentlichten Bericht fest, in dem er angesichts der damaligen Situation von einer „großen Herausforderung“ für das Schulsystem spricht.

Standardisierte Testverfahren zum Sprachstand

Ebenso gab es u.a. keine Daten zur Vorbildung der neu in Österreich angekommenen Schüler und kein standardisiertes Testverfahren, mit dem ihr Sprachstand festgestellt wurde. Ein solches wird erst ab dem kommen Schuljahr flächendeckend angewendet. In den vergangenen Jahren verwendeten Schulen daher verschiedene Erhebungsinstrumente und dokumentierten auch den Lernerfolg unterschiedlich.

Ergebnisse der Evaluation nicht abgewartet

Der Bund stellte für die Förderung der Deutschkenntnisse und die Integration der Kinder und Jugendlichen zwischen 2016 und 2018 insgesamt 223,75 Mio. Euro zur Verfügung, von denen fast 61 Mio. Euro in den regulären Unterricht flossen. Sprachkurse oder Sprachstartgruppen waren demnach mit annähernd 70 Mio. Euro dotiert. Dass das Ministerium die Ergebnisse der selbst in Auftrag gegebenen Evaluation zu deren Wirksamkeit nicht abgewartet und stattdessen im heurigen Schuljahr die Deutschförderklassen eingeführt hat, kritisiert der RH in seinem Bericht.

22 Prozent der Lehrer keine entsprechende Qualifikation

Ebenso kritisch sehen die Prüfer, dass in den Sprachkursen und Sprachstartgruppen laut einer Online-Erhebung (2017) österreichweit 22 Prozent der Lehrer keine entsprechende Qualifikation zum Unterrichten von „Deutsch als Zweitsprache“ hatten. In Wien traf das auf nur sechs Prozent zu. Fort- und Weiterbildungen im Umfang von zumindest vier ECTS-Punkten hatten demnach lediglich 32 Prozent absolviert (in Wien 48 Prozent). Zum Vergleich: Im Vollzeitstudium entsprechen 30 ECTS dem Arbeitsaufwand eines Semesters.

Für gesetzliche Verankerung der Schulsozialarbeit

Rund ein Viertel der Mittel, die für 2016 und 2017 über zwei mit insgesamt rund 87 Mio. Euro gefüllte „Integrationstöpfe“ seitens des Bundes zu Verfügung gestellt wurden, waren Ende 2017 noch nicht verbraucht. „Die Gründe dafür waren vor allem nicht besetzte Stellen bei der begleitenden pädagogischen Integration, bei den MIT (Mobilen Interkulturellen Teams, Anm.) und der Schulsozialarbeit sowie die geringeren Ausgaben bei den Übergangslehrgängen“, hält der RH fest. „Aufgrund spezifischer Anforderungen sowie kurzer und ungewisser Vertragssituationen“ konnte etwa für die Schulsozialarbeit nur die Hälfte der vorgesehenen Stellen tatsächlich besetzt werden. Dem Bildungsministerium legt der RH daher nahe, auf eine gesetzliche Verankerung der Schulsozialarbeit hinzuwirken.

„Gewonnenes Wissen“ erhalten

Während das Bildungsministerium im September 2015 eine „Beauftragte für Flüchtlingskinder in der Schule“ einsetzte, gab es trotz vielfältiger Angebote in der Bundeshauptstadt eine solche zentrale Ansprechperson im Stadtschulrat Wien in den Jahren 2015 und 2016 nicht. Das dürfte laut Stadtrechnungshof auch daran gelegen haben, dass Wien in dieser Zeit vor allem mit der Erstversorgung und Unterbringung von Flüchtlingen beschäftigt war. Nun sollte darauf geachtet werden, dass das in den vergangenen Jahren „gewonnene Wissen für möglicherweise in Zukunft stattfindende, ähnliche Situation in der Stadt Wien“ erhalten wird.

Gesamtkosten nicht genau zu beziffern

Die Gesamtkosten für Bildungsmaßnahmen für geflüchtete Kinder und Jugendliche von 2014 bis 2017 in Wien seien nicht genau zu beziffern. Klar ist zumindest die Summe für Maßnahmen, die jungen Flüchtlingen direkt zugutekamen: Es waren rund zwölf Millionen aus den Töpfen der Stadt.

Link: