„Nazi-Jägerin“ Beate Klarsfeld wird 80

Eine Ohrfeige machte Beate Klarsfeld berühmt: Am 7. November 1968 schlug die überzeugte Antifaschistin dem damaligen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger (CDU) ins Gesicht, um auf dessen NS-Vergangenheit aufmerksam zu machen.

Mit ihrem Mann Serge Klarsfeld jagte die deutsch-französische Publizistin in den Folgejahren NS-Größen und brachte es sogar zur Kandidatin bei der Bundespräsidentenwahl. Heute wird die vielfach geehrte „Nazi-Jägerin“ 80 Jahre alt.

Beate Klarsfeld

APA/AFP/POOL/ludovic MARIN

Beate Klarsfeld

„Deutsche Öffentlichkeit aufzurütteln“

„Es mussten spektakuläre Aktionen erfunden werden wie die Ohrfeige, um die deutsche Öffentlichkeit aufzurütteln“, sagte Klarsfeld zu der Attacke auf Kiesinger. In der Bundesrepublik schienen sich nicht allzu viele über die Vergangenheit des Kanzlers aufzuregen, der 1933 in die NSDAP eingetreten war und während des Zweiten Weltkriegs einen wichtigen Posten im Reichsaußenministerium innehatte.

Ein Jahr Haft für Ohrfeige

Klarsfeld hatte über Kiesingers NS-Vergangenheit bereits in der französischen Zeitung „Combat“ berichtet. Deswegen verlor sie 1967 ihren Posten als Sekretärin beim deutsch-französischen Jugendwerk. Die streitbare Journalistin wählte dann rabiatere Mittel. Für ihre Ohrfeige wurde sie zu einem Jahr Haft verurteilt, später wurde das Urteil auf vier Monate Haft auf Bewährung abgemildert.

„Dass die deutsche Jugend die Nazis schlägt“

Nicht wenige Deutsche sahen in ihr eine „Nestbeschmutzerin“. Klarsfeld aber hatte ein Zeichen gesetzt: „Die Symbolik war, dass die deutsche Jugend die Nazis schlägt“, sagte die Mutter des politisch engagierten Verteidigers Arno Klarsfeld und der ebenfalls als Anwältin arbeitenden Tochter Lida später.

Klarsfeld, 1939 als Tochter eines Versicherungsangestellten in Berlin geboren, war mit 21 Jahren als Au-Pair-Mädchen nach Paris gekommen. Dort lernte die damalige Beate Künzel den jüdischen Studenten Serge Klarsfeld kennen, der als Kind in Nizza nur knapp der Deportation entgangen war und dessen Vater in Auschwitz ermordet wurde.

„Ich habe es dank Serge erfahren“

„Ich wusste damals nichts über den Zweiten Weltkrieg“, sagte Beate Klarsfeld. „Ich habe es dank Serge erfahren.“ Die Klarsfelds wollten nicht hinnehmen, wie NS-Verbrecher in der Bundesrepublik ein ungestörtes Leben führten und Karriere in Politik und Wirtschaft machten.

Kurt Lischka & Klaus Barbie aufgespürt

So spürte das unzertrennliche Paar 1971 in Köln den früheren Pariser Gestapo-Chef Kurt Lischka auf - und in Bolivien den einstigen Gestapo-Chef von Lyon, Klaus Barbie, der nach seiner Auslieferung 1987 in Frankreich zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Auch dem nach Südamerika geflüchteten „Arzt von Auschwitz“, Josef Mengele, waren die Klarsfelds auf der Spur.

Für Einsatz gegen NS-Verbrecher geehrt

Für ihren Einsatz gegen NS-Verbrecher und gegen das Vergessen des Holocaust wurden Beate Klarsfeld und ihr Mann in Frankreich, Israel und den USA schon früh hoch dekoriert. Israel verlieh ihr 2016 als Auszeichnung zusätzlich die Staatsbürgerschaft, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zeichnete sie im vergangenen Oktober mit dem Nationalen Verdienstorden aus.

Film „Die Hetzjagd“

Beate Klarsfelds Leben inspirierte auch mehrere Filme - darunter das französische Drama „Die Hetzjagd“ von 2008, in dem Franka Potente die unbeugsame Antifaschistin verkörperte.

Ehrung in Deutschland in 2015

In Deutschland blieb Beate Klarsfeld eine Anerkennung länger verwehrt. Als Auszeichnung ihrer Lebensleistung empfand sie 2012 ihre Nominierung als Kandidatin bei der Bundespräsidentenwahl durch die Linke - auch wenn sie gegen den Mehrheitskandidaten Joachim Gauck von Anfang an keine Chance hatte. Gauck beschloss dann aber, Beate und Serge Klarsfeld mit dem Bundesverdienstkreuz zu ehren. Es wurde dem Paar am 20. Juli 2015 in der deutschen Botschafterresidenz in Paris überreicht - am 71. Jahrestag des gescheiterten Attentats auf Adolf Hitler 1944.

„Dem Unrecht beharrlich und konsequent entgegentreten“

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gratulierte Beate Klarsfeld nun zum 80. Geburtstag. Er nannte sie „ein Vorbild dafür, dass wir dem Unrecht beharrlich und konsequent entgegentreten müssen - und dass wir nie vergessen, wohin Diktatur, Rassismus und Überlegenheitswahn führen“.