Rhetorik der Teilung in politischer Mitte angekommen

Nationalismus und Diskriminierung jedweder Art sind nach Ansicht von EU-Justizkommissarin Věra Jourová nicht länger ausschließlich Sache des rechten Milieus

„Traurigerweise akzeptieren traditionelle Volksparteien manche Teile der Rhetorik der Teilung“, sagte Jourová heute in ihrer Rede zur Eröffnung des Grundrechte-Forum ins Wien.

EU-Justizkommissarin Věra Jourová

APA/AFP/John Thys

„Schlechte Version des Nationalismus“

„Exklusion, Diskriminierung und der Mangel an Respekt für Minderheiten haben sich vom Rand zum Zentrum bewegt und stoßen auf nicht genügend Widerstand vonseiten der Medien, Politiker oder Meinungsbildner“. Als Beispiel für das Vordringen der „schlechten Version des Nationalismus“ nannte die Kommissarin das Stop-Soros-Gesetzespaket in Ungarn, die Chemnitz-Proteste, aber auch antisemitische Übergriffe in Frankreich.

Propagierung eines „gesunden Patriotismus“

Als Ursache macht die Kommissarin Angst aus. „Wenn wir uns fürchten, schalten wir oft das rationale Denken aus und flüchten uns in unsere Instinkte, auch in die niederen“. Die Lösung bestehe aber nicht darin, diesen Ängste belehrend zu begegnen, oder sie gar lächerlich zu machen. Damit verliere man die Menschen. Stattdessen plädiert Jourová für die Propagierung eines „gesunden Patriotismus“, der auf Inklusion basiere und gleichzeitig das Zugehörigkeitsgefühl stärke.

Grenzen zwischen Fakten, Fiktion und Ängsten verschwimmen

Ein ähnlich düsteres Bild der gegenwärtigen Lage der Grund- und Menschenrechte in der Union zeichnete Bundespräsident Alexander Van der Bellen in einer Video-Grußbotschaft. Das „Commitment zu Menschenrechten“ sei im Kontext der globalen Bedrohungen „am Erodieren“. Erschwerend komme hinzu, dass die Grenzen zwischen Fakten, Fiktion und Ängsten immer mehr verschwimmen würden. Dies führe zu „wachsender Polarisierung“, die von Populisten ausgenutzt werde. „Es gibt die ernste Gefahr, dass Menschen das Gefühl der Zugehörigkeit zu den Gesellschaften, in denen sie leben, verlieren.“ Deswegen müsse man danach streben, „eine Kultur zu schaffen, der jeder angehören will, und auf die jeder stolz ist.“

Grundrechte als „Schlüssel für Stabilität und Frieden“

Auch für Justizminister Josef Moser (ÖVP) haben die Entwicklungen der vergangenen Jahre gezeigt, dass das „gemeinsame Verständnis“ in Rechtsfragen innerhalb der Union nicht länger „garantiert“ ist. Dabei seien Grundrechte „der Schlüssel für Stabilität und Frieden“. Der österreichische Ratsvorsitz habe deshalb die Stärkung des Vertrauens in die Institutionen der EU zu einem seiner Schwerpunkte gemacht.

„Vernetzen - Reflektieren - Handeln“

Das Grundrechte-Forum wird von der in Wien ansässigen EU-Grundrechteagentur (FRA) ausgerichtet. Unter dem Motto „Vernetzen - Reflektieren - Handeln“ diskutieren bis Donnerstag knapp 700 Teilnehmer aus zahlreichen Ländern, wie mit dem steigenden Druck auf die Grundrechte umzugehen ist. Für FRA-Direktor Michael O’Flaherty geht es darum, der „Normalisierung des Unakzeptierbaren“ Einhalt zu gebieten. Als Beispiel nannte er etwa die Ermordung des Aufdecker-Journalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten in der Slowakei. Die gegenwärtige Krise zeige aber auch, dass die Menschenrechtsszene an den Herausforderungen wachse. Sie entwickle in zunehmendem Maße „kluge, präzise Strategien“. Dem pflichtete Jourová bei: Es seien „gute Zeiten“ für die Verteidiger der Menschenrechte, denn „es gibt jetzt wirklich etwas zu tun“.

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