EU-Asylgipfel ohne Beschlüsse

Der Asylgipfel von 16 der 28 EU-Staaten ist gestern Abend nach knapp vier Stunden wie erwartet ohne konkrete Beschlüsse beendet worden.

Im Fokus bei der Suche nach gemeinsamen Lösungen in der Migrationspolitik standen vor allem ein stärkerer Außengrenzschutz und die intensivere Kooperation mit Drittstaaten, hieß es am Abend aus EU-Ratskreisen.

Zwischen gedämpfter Zuversicht und Vorsicht

Die Stimmung schwankte danach zwischen gedämpfter Zuversicht und Vorsicht. Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel ortete etwa „viel guten Willen“ und „trotz einigen Unterschieden ein großes Maß an Gemeinsamkeit“. Einigkeit herrsche darüber, „dass wir die illegale Migration reduzieren wollen“. Und alle müssten sich „um alles kümmern“. Es könne nicht sein, dass sich die einen um Primärmigration kümmerten, die anderen um die Sekundärmigration. „Die Schlepper und die Flüchtlinge dürfen sich nicht aussuchen, in welchen EU-Ländern sie Asylanträge bearbeiten lassen. Wir müssen bestimmen, wer welche Aufgaben hat“. Merkel forderte europäische Lösungen ein, darum werde es in den nächsten Tagen bis zum Europäischen Rat gehen. Wenn dies nicht gehe, könnten willige Staaten auch gemeinsam einen Handlungsrahmen ausarbeiten.

Einigkeit beim Schutz der EU-Außengrenzen

Der französische Präsident Emmanuel Macron sah nach dem Treffen Einigkeit beim Schutz der EU-Außengrenzen gegeben. Dies betreffe die Primärmigration. Die heutige Herausforderung bestehe bei der Sekundärmigration, so Macron. Hier gebe es politischen Druck einiger Staaten. Ohne auf Deutschland einzugehen, wandte sich der Präsident gegen die Taktik des Zurückweisens von Flüchtlingen an der Grenze, die auch nicht dem internationalen Recht entspreche. Jedenfalls gebe es eine pragmatische Annäherung beim Kampf gegen die illegale Migration, so Macron.

Kurz ortete „positive Bewegung“

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ortete nach der Sitzung „eine positive Bewegung“ in Richtung Außengrenzschutz. „Es wurde endlich von vielen Seiten unterstützt, was wir schon im Jahr 2015 gefordert haben, nämlich dass Menschen nach der Rettung im Mittelmeer nicht nach Europa gebracht werden sollen, sondern in Länder außerhalb der Europäischen Union“, so Kurz. Es sei von vielen Seiten endlich unterstützt worden, „dass man noch stärker mit der libyschen Küstenwache zusammenarbeiten soll, und dass Menschen, wenn sie in Seenot geraten 50 Kilometer entfernt von Libyen nicht 500 Kilometer nach Italien gebracht werden sollen, sondern lieber 50 Kilometer zurück nach Libyen. Das ist aus meiner Sicht schon ein wichtiger Fortschritt“, betonte Kurz.

Zusammenarbeit mit Drittstaaten

Der Weiterverteilung von Flüchtlingen in Europa ist laut Kurz „nur ein Bruchteil der Zeit“ gewidmet gewesen. „Es wurde fast ausschließlich über den Außengrenzschutz und die Zusammenarbeit mit Drittstaaten gesprochen. Das ist auch die Lösung der Migrationsfrage.“ Auch Italiens Vorschlag zur Überwindung des Dublin-Systems sei nur „am Rande diskutiert“ worden. Darüber hinaus sah Kurz auch mehr Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Drittstaaten.

Vorbereitung auf den EU-Gipfel

Der italienische Regierungschef Giuseppe Conte zeigte sich zufrieden: „Wir haben der Debatte die richtige Richtung gegeben“, erklärte er nach dem Treffen auf Twitter. Die neue populistische Regierung aus Fünf-Sterne-Bewegung und rechter Lega in Italien dringt auf einen „radikalen Wandel“ der europäischen Asylpolitik. Der neue spanische Premier Pedro Sanchez sprach von guten Schritten vorwärts. Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras bezeichnete das Treffen als Vorbereitung auf den EU-Gipfel. Es gebe ein „großes Dilemma, dem wir uns gegenübersehen. Das ist, ob wir eine EU-Lösung für ein EU-Problem wollen oder glauben, dass jedes Land das Problem auf seine Weise lösen soll“, kritisierte Tsipras jene Staaten, die sich aus der Flüchtlingsfrage ausklinken wollen. Der maltesische Premier Josef Muscat sagte, das Treffen sei besser als erwartet und wichtig für das gegenseitige Verständnis gewesen. „Wir sind in einer Situation, wo es um Entscheidungen geht. Die Situation darf in den nächsten Tagen nicht eskalieren.“

Innerdeutscher Konflikt nicht kommentiert

Den innerdeutschen Konflikt in der Migrationsfrage zwischen Merkel und der bayerischen CSU wollten die Staats- und Regierungschefs nicht kommentieren. Darum gehe es heute nicht, hieß es unisono. Auch Merkel selbst ging bei ihrer abschließenden Erklärung mit keinem Wort darauf ein. Die von Merkel im Vorfeld ins Treffen geführten bilateralen oder trilateralen Abkommen zwecks Zurückführung von Flüchtlingen waren gestern kein Thema, hieß es im Berlaymont am Sitz der EU-Kommission. Merkel dürfte damit zuhause weiter unter Druck des Koalitionspartners CSU stehen.

Migrationsthema beim Europäischen Rat

Kommenden Donnerstag und Freitag steht das Migrationsthema beim Europäischen Rat aller EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel neuerlich auf der Agenda. Österreichs Kanzler Kurz erwartet dort noch keine Gesamtlösung zu Migration. Er will unter Österreichs EU-Ratsvorsitz am 20. September bei einem EU-Gipfel in Salzburg wesentliche Fortschritte in der Flüchtlingspolitik auf die Beine stellen.