Syrer verlassen Deutschland mangels Familiennachzug

Offenbar verlassen zunehmend anerkannte syrische Flüchtlinge Deutschland wieder, weil sie Angehörige nicht nachholen können.

Dabei reisen viele Flüchtlinge illegal, auf zum Teil riskanten Routen und mithilfe von Schleppern in die Türkei, da sie kein Visum erhalten, berichteten heute das ARD-Politikmagazin „Panorama“ und das Reporterformat „STRG_F“ des Online-Angebots funk von ARD und ZDF.

Rückkehr „auf gefährlichen Wegen“

Die deutsche Menschenrechtsorganisation Pro Asyl bestätigte die Entwicklung. „Es gab schon im letzten Jahr Hinweise, dass Flüchtlinge sich hier in Deutschland unter Druck gesetzt fühlen und auf gefährlichen Wegen zurückkehren“, sagte Pro Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt der Nachrichtenagentur AFP. „Das betrifft besonders verzweifelte Syrer, die nur einen eingeschränkten Schutzstatus bekommen haben und von ihren Familien getrennt sind.“

Austausch in sozialen Netzwerken

In sozialen Netzwerken wie Facebook gibt es dem Bericht von „Panorama“ und „STRG_F“ zufolge inzwischen Gruppen, in denen sich tausende Syrer über die „umgekehrte Flucht“ austauschen. Auch Informationen über Schlepper und Preise würden darin genannt. So koste eine Überfahrt über den Grenzfluss Evros, der Griechenland von der Türkei trennt, etwa 200 Euro.

Schlepper bestätigten Rückkehr

Die Reporter recherchierten zudem im griechisch-türkischen Grenzgebiet und begleiteten mehrere Syrer auf ihrem Weg in die Türkei. Sie interviewten auch Schlepper, die diesen Trend bestätigen. Einer erklärte demnach, er bringe täglich bis zu 50 Menschen zurück aus Europa in die Türkei, hauptsächlich syrische Flüchtlinge, die in Deutschland einen Aufenthaltsstatus hätten. Ein anderer Schlepper sagte, inzwischen hole er mehr Flüchtlinge aus Europa zurück als umgekehrt.

Das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und das Innenministerium haben laut den Medienberichten praktisch keine Erkenntnisse darüber, weil Ausländer mit gültigem Aufenthaltstitel ins europäische Ausland reisen dürfen und das nicht erfasst wird.

„Lieber sterben wir zusammen“

Pro Asyl beobachtet die Entwicklung mit großer Sorge. „Die Betroffenen sagen: Lieber sterben wir zusammen als weiter getrennt zu sein“, sagte Burkhardt. Andere versuchten, ihre Familien illegal nach Deutschland zu holen. „Das sind die dramatischen Folgen der katastrophalen Fehlentscheidungen der Großen Koalition zum Familiennachzug.“

Familiennachzug ausgesetzt

Die Große Koalition hatte im Frühjahr 2016 beschlossen, in Deutschland den Familiennachzug für Flüchtlinge mit dem eingeschränkten subsidiären Schutzstatus auszusetzen. Diesen Status bekommen besonders syrische Bürgerkriegsflüchtlinge. Derzeit verhandeln Union und SPD über eine Neuregelung, nach der ab August monatlich 1.000 Angehörige nach Deutschland kommen dürfen.

Situation „paradox“

Der Repräsentant des Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen (UNHCR) in Deutschland, Dominik Bartsch, sagte „Panorama“, die Tatsache, dass Flüchtlinge auf derselben Route, auf der sie ursprünglich nach Deutschland gekommen seien, wieder zurückgingen, sei „paradox“. Dass der einzelne so ein Risiko eingehe, zeige auch den hohen Schutzwert der Familie. Dem werde Deutschland nicht gerecht.

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