Österreich soll 300 Yezidinnen aufnehmen

Der Europa-Abgeordnete Josef Weidenholzer (SPÖ) und der oberösterreichische Landesrat Rudi Anschober (Grüne) haben die Aufnahme von 300 yezidischen Frauen und Kindern in Österreich gefordert.

„6.500 yezidische Frauen seien ab 2014 vom IS versklavt oder verkauft worden. Rund 2.000 sind noch nicht frei“, sagte Anschober in einem Pressegespräch am Freitag in Wien. Laut Anschober sind die Yeziden wohl die Volksgruppe, die am meisten unter der Herrschaft der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) gelitten hat. „Die internationale Gemeinschaft ist verpflichtet, diesen Frauen zu helfen“, fügte er hinzu. Andernorts gebe es bereits vergleichbare Initiativen: Das deutsche Bundesland Baden-Württemberg habe seit 2015 1.100 yezidische Frauen und Kinder aus Lagern im Nordirak über den Verein „Luftbrücke Irak“ aufgenommen. Der Vorsitzende des Vereins, Mirza Dinnayi, arbeite bereits mit Anschober und Weidenholzer zusammen.

Im Rahmen von humanitärem Sonderkontingent

Die beiden oberösterreichischen Politiker forderten die Regierung in Wien auf, nun auch einen Beitrag zu leisten. Das baden-württembergische Modell diene als Vorbild: Im Rahmen eines humanitären Sonderkontingentes, das zusätzlich zu bestehenden Flüchtlingsprogrammen gelten müsse, sollen 300 yezidische Frauen und Kinder aufgenommen werden. Für Weidenholzer darf die Versorgung der Yezidinnen nicht auf Kosten anderer Flüchtlinge gehen.

„Grundsätzliche Bereitschaft“

Laut Anschober hat das Innenministerium bereits seit langem „grundsätzliche Bereitschaft“ für das Vorhaben bekundet, Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) soll ebenfalls „großes Interesse“ gezeigt haben. Die Flüchtlingsreferenten aller neun Bundesländer hätten bereits im September 2016 den Antrag einstimmig angenommen, ein Kontingent von zumindest 0,4 Prozent der sich in der Landes-Grundversorgung befindenden Personen an yezidischen Frauen aufzunehmen.

Aufforderung an scheidende Regierung

Trotz der breiten Zustimmung sei bisher jedoch noch nichts umgesetzt worden. Anschober forderte daher die scheidende Bundesregierung auf, ein Zeichen zu setzen und den Beschluss in den nächsten Wochen zu verabschieden. „Man sollte da wirklich großzügig sein“, sagte Weidenholzer und forderte, im Sinne einer „christlichen Kultur“ zu handeln. Die Aufnahme von 300 Yezidinnen, denen „Entsetzliches“ widerfahren sei, sei für Österreich „kein großen Kraftakt“. „Das ist die Möglichkeit der scheidenden Bundesregierung, zu dem zu stehen, was sie gesagt hat“, fügte der Europaabgeordnete hinzu.

Systematischer Genozid

Der IS habe systematisch einen Genozid an der religiösen Minderheit verübt und Frauen verschleppt, versklavt und verkauft, so die beiden Politiker. „Die Yeziden haben in ihrer Geschichte 74 Genozide überlebt“, erklärte Weidenholzer und forderte die Schaffung von Gebieten, die die Volksgruppe unter Schutz stellen.

Schicksal vieler Frauen & Kinder unklar

Die Yezidin Lamya Taha, Trägerin des Sacharow-Menschenrechtspreises, war Gefangene des IS und ist nun Botschafterin für das Schicksal der Yezidinnen. „Die Berichte ihrer Erlebnisse haben in der arabischen Welt große Bestürzung ausgelöst“, so Weidenholzer. Taha, und Dinnayi berichteten per Videoschaltung, dass selbst nach dem Sieg über den IS im Nordirak das Schicksal vieler Frauen und Kinder der strikt endogamen Volksgruppe unklar sei. Kinder von yezidischen Frauen und muslimischen IS-Kämpfern würden von den eigenen Familien kaum anerkannt, wenngleich das religiöse Oberhaupt Baba Sheikh diese Kinder entgegen den strikten Vorschriften trotzdem als Yeziden akzeptiere.