Mehr Geld für Schutz vor Gewalt an Frauen

Die NGO-Allianz „Gewaltfrei leben“ sprach sich heute für die Empfehlungen des Europarat-Expertinnenkomitees „GREVIO“ zur Verbesserung des Gewaltschutzes und eine höhere Finanzierung aus.

Vergangene Woche hat das Komitee erstmals einen Bericht veröffentlicht, in dem die Umsetzung der Istanbul-Konvention zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt in Österreich evaluiert worden ist.

„Extremste Ausdrucksform“ ungleicher Machtverhältnisse

20 bis 25 Frauen kommen in Österreich Schätzungen zufolge jedes Jahr durch ihre eigenen (Ex-)Partner oder Familienmitglieder ums Leben. „Gewalt ist die extremste Ausdrucksform der ungleichen Machtverhältnisse zwischen Männern und Frauen, sie ist ein weltweites, gesamtgesellschaftliches Phänomen - quer durch alle Gesellschaftsschichten und quer durch alle Milieus“, hieß es in der Stellungnahme der Allianz „Gewaltfrei leben“, ein Zusammenschluss von österreichischen 30 NGOs, die in der Prävention von Gewalt an Frauen und häuslicher Gewalt tätig sind. Gewalt innerhalb der Familie sei weder eine „Familientragödie“, noch handle es sich dabei um „Einzelfälle“ oder „Beziehungsdramen“, wie oft suggeriert werde. In Österreich ist jede fünfte Frau mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von körperlicher oder sexueller Gewalt.

Europarat-Prüfbericht

Der Prüfbericht des Europarates stelle Österreich in vielen Bereichen ein gutes Zeugnis aus und betone, dass Österreich mit seinen Gewaltschutzmaßnahmen - Stichwort Gewaltschutzgesetz - weltweit eine Vorreiterrolle eingenommen habe, sagte Kerstin Schinnerl von der Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie. Verwiesen werde allerdings auch auf Lücken im Gewaltschutz, für die Empfehlungen festgehalten wurden, die auch von den NGOs klar unterstützt werden. Man sehe einen eindeutigen Auftrag an die Politik bzw. die zukünftige Regierung.

„Sicherheit von Frauen und Kindern“ muss Staat etwas wert sein

Gewalt und ihre Folgen kosten EU-weit rund 3,7 Milliarden Euro jährlich, hielt Schinnerl fest. Darunter fallen etwa Kosten für Gesundheits- und Justizsystem. Dem steht in Österreich lediglich ein Budget von fünf Millionen Euro gegenüber, das dem Frauenministerium für den Gewaltschutzbereich zur Verfügung steht. Die Aufstockung des Budgets für den Gewaltschutz erachtet die NGO-Allianz daher als dringend notwendig. Basierend auf einer EU-Studie fordern die NGOs, dass mindestens zehn Prozent der Folgekosten von Gewalt in die Gewaltprävention investiert werden sollen. Das würde eine Erhöhung des Budgets des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen auf 210 Millionen Euro bedeuten. „Die Sicherheit von Frauen und Kindern muss dem Staat etwas wert sein“, bekräftigte Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin des Vereins Autonomer Österreichischer Frauenhäuser (AÖF).

Maßnahmen zur Gefährlichkeitseinschätzung

Von der Strafjustiz werde das Thema nicht ernst genug genommen, führte Schinnerl weiter aus. Es müsse systematische und koordinierte Maßnahmen zur Gefährlichkeitseinschätzung geben. Durch die Verhängung von Untersuchungshaften könne das Risiko der Tatbegehung verringert werden. Sichergestellt werden müsse, dass Täter strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Die dringende Empfehlung von GREVIO umfasse es, verpflichtende Schulungen zum Thema Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt in die Ausbildungen angehender Richter und Staatsanwälte zu integrieren.

Jede dritte Frau erlebt sexuelle Gewalt

Nahezu jede dritte Frau in Österreich erlebe sexuelle Gewalt, drei von vier Frauen werden sexuell belästigt. Doch es sei auffallend, wie wenige Anzeigen es gebe, sagte Ursula Kussyk vom Verein Notruf - Beratung für vergewaltigte Frauen und Mädchen. Lediglich neun Prozent der Vergewaltigungsopfer würden die Tat anzeigen, so Kussyk. Im Jahr 2016 wurden etwa 899 Vergewaltigungen angezeigt, es gab jedoch nur 109 Verurteilungen. Viele Verfahren würden sehr bald eingestellt, die Verurteilungsrate bei Vergewaltigung sei mit 12 Prozent ebenfalls sehr gering. Meistens stünde vor Gericht Aussage gegen Aussage, damit sei das Verfahren erledigt, meinte Kussyk.

Sexismus „sehr beherrschendes Thema“

„Leider ist es nach wie vor so, dass Sexismus ein sehr beherrschendes Thema ist, trotz aller Erfolge der Frauenbewegung“, begründete Kussyk. Es sei immer noch ein Sammelsurium an Einstellungen, Überzeugungen und Bildern vorhanden, wie Frauen sind, wie Männer sind - trotz aller Emanzipation. Diese Einstellungen diskriminieren Frauen. Darunter fallen auch sogenannte wohlmeinende Sexismen. „Wie der Europarat fordern wir daher einen Ausbau von Beratungsstellen, mehr Studien zur Thematik, eine genderbasierte Sexualaufklärung und kostenlose Psychotherapie“, sagte Kussyk.

Gewaltschutz nicht an Aufenthaltsstatus knüpfen

Gewaltschutz dürfe zudem auch nicht an einen bestimmten Aufenthaltsstatus geknüpft sein, sagte Marie Möller von der Caritas. Migrantinnen hätten hier spezielle Hürden vor sich - so gebe es verbreitet Angst vor Behörden, unterschiedliche Aufnahmebedingungen bei Frauenhäusern in den Bundesländern sowie Rückkehrbefürchtungen der Frauen sogar im Fall einer erfolgreichen Trennung vom Gefährder.

Verbesserungsbedarf bei Umgang mit Gewalt an Frauen

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