Eine „Anti-Integrationskomödie“

Ein Filmteam macht die Gegend rund um den Hannovermarkt im 20. Wiener Gemeindebezirk aktuell zum „Rudolfsgrund“: In dem fiktiven Grätzel ist Arman T. Riahis „Die Migrantigen“ angesiedelt.

Eine „Anti-Integrationskomödie“, wie sie der Regisseur im APA-Gespräch nennt, denn: „Es ist an der Zeit, auch in Österreich einen Film zu machen, der mit dem sehr leidigen Migrationsthema humorvoller umgeht.“

Als zwölfteiliger Serie wird Kinofilm

Der Hannovermarkt ist belebt wie immer: Menschen kaufen Gemüse, Fleisch und Fisch, manch einer sitzt bereits im Beisl beim ersten Bier und zwischen einem Imbiss und einem Second-Hand-Stand baut die Crew um Regisseur Riahi vor den Augen zahlreicher Schaulustigen immer wieder das Set um. Was ursprünglich als zwölfteilige Serie „Neue Wiener“ angelegt war, ist nach der Insolvenz der Produktionsfirma Neue Sentimental Film als Kinofilm bei der Golden Girls Filmproduktion gelandet und soll Anfang 2017 in den Kinos starten.

Die beiden Schauspieler Faris E. Rahoma (l.) und Aleksandar Petrović anlässlich der Dreharbeiten zum Film "Die Migrantigen" in Wien

APA/Golden Girls Filmproduktion/Stefanie Leo

Die beiden Schauspieler Faris E. Rahoma (l.) und Aleksandar Petrović anlässlich der Dreharbeiten zum Film „Die Migrantigen“ in Wien

Mit Aleksandar Petrović und Faris E. Rahoma

„Die Migrantigen“ sind Marko (Aleksandar Petrović) und Benny (Faris E. Rahoma), zwei „perfekt integrierte Wiener mit Migrationshintergrund“, die ein „Bobo-Leben“ im siebenten Bezirk führen und keinen Bezug zu der Kultur und Herkunft ihrer Eltern haben. Vor allem Benny aber leidet darunter, dass man ihm die ägyptischen Wurzeln ansieht, wird der angehende Schauspieler doch immer nur als „der Ausländer“ gecastet. Als sie eines Tages Markos Vater besuchen, werden sie von einem Fernsehteam angesprochen, das eine Dokuserie über den „sozialen Brennpunkt“ Rudolfsgrund dreht. In der Hoffnung auf Berühmtheit, Geld oder einfach eine neue Chance, geben sie sich als arbeitslose Kleinkriminelle aus und stürzen sich in allerhand Klischees - bis ihnen die Sache zwangsläufig auf den Kopf fällt.

„Positive Beispiele“ aus der zweiten Generation fehlen

Riahi („Schwarzkopf“), der 1981 im Iran geboren und in Wien aufgewachsen ist, hat das Drehbuch gemeinsam mit seinen beiden Hauptdarstellern geschrieben, weil er „positive Beispiele“ aus der zweiten Generation von Zuwanderern in den Medien vermisst. „Dieses Opfer-Täter-Bild ist alles, was man sieht, und da nehme ich auch unsere Zunft der Filmemacher als Negativbeispiel“, sagt Riahi, der für „Inklusion“ statt „Integration“ plädiert. „Wir machen fast nur Sozialdramen in Österreich. Das wollen wir aufbrechen und zeigen, dass es viele Differenzierungen beim Thema Migration gibt.“

„Ich bin ein ‚Camouflage-Jugo‘“

„Die Geschichten, die man im Fernsehen sieht, mögen vielleicht ihre Berechtigung haben“, ergänzt Petrović. „Aber gerade in unserem Umfeld gibt es so viele Leute wie uns: Ich bin ein ‚Camouflage-Jugo‘, weder sieht noch hört man mir an, dass ich Ausländer bin. Ich bin hier aufgewachsen, aber trotzdem sehr stark mit meinen Wurzeln verbunden, meine ganze Familie lebt in Serbien.“ Seine Wurzeln habe er in seinem Alltag nie als Bürde, sondern als Vorteil empfunden.

„nie hat man mir einen Österreicher zugetraut“

Auch Rahoma spricht über das „Glück, beide Seiten zu kennen“. „Wenn ich ein Rezept von meiner Oma in Ägypten will, rufe ich an und spreche mit ihr Arabisch“, sagt er, „und wenn sich hier am Hannovermarkt einer aufregt, weil wir da eine Kamera aufstellen, mache ich einen Scherz im tiefsten arabischen Slang und er lacht und geht weiter.“ Dennoch werde er wie Filmfigur Benny stets auf bestimmte Rollen gebucht. „Ich habe bisher nur Drogendealer, Kebabverkäufer oder Gangster gespielt. Ich war immer die Randfigur, nie hat man mir einen Österreicher zugetraut. Was wir hier versuchen, ist ziemlich authentisch.“

Mit namhaften Schauspielern

Weil der Film im besten Falle „viele vereint“, wirken auch namhafte Schauspieler für wenig oder kein Geld mit - darunter Josef Hader, Dirk Stermann und Margarethe Tiesel. Doris Schretzmayer, selbst früher ORF-Journalistin, hat die Rolle der sensationshaschenden TV-Dokumentaristin Marlene Weizenhuber übernommen. „Sie erliegt im Prinzip einer Verführung, ein möglichst großes Publikum zu erreichen. Was sich oft gut verkauft, ist eine gewisse Eindimensionalität, nicht zu viele Schattierungen“, meint Schretzmayer, die im Laufe ihrer Schauspielkarriere auch mit Journalisten zu tun gehabt hat, „die nicht zuhören oder einem das Wort sofort im Mund umdrehen“. „Die wollen eigentlich nichts wissen, sondern haben ein Bild im Kopf, das sie nach dem Prinzip ‚Malen nach Zahlen‘ ausmalen.“

Komödie als bester Weg der Darstellung

„Die Migrantigen“ sei nun der erste Film in Österreich, bei dem „Menschen mit Migrationshintergrund ihre Geschichten selbst erzählen und sich selbst spielen“, betont Arash T. Riahi, älterer Bruder des Regisseurs und neben Karin C. Berger Produzent des Films. „Wir haben uns erlaubt, uns darüber lustig zu machen: über uns selbst, über unsere Freunde aus der ‚Migrantenecke‘, aber auch über unsere Bobo-Freunde.“ Die Generation seines jüngeren Bruders trete „aus der Opferrolle heraus und sagt: Wir sind keine armen Flüchtlinge, die Mitleid brauchen, wir sind ganz normale Menschen mit Fehlern und Stärken.“ Eine Komödie sei dafür der beste Weg, ist er überzeugt. „Es ist ja ein Naturgesetz, dass Menschen ihre Ängste verlieren, wenn sie lachen. Das ist die vielleicht wichtigste Waffe gegen Diskriminierung und Ausländerfeindlichkeit und diese Atmosphäre, die jetzt gegen Flüchtlinge entstanden ist.“

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