„Verdichtung der Gewalt“ zu Kriegsende 1945

Aus dem ehemaligen „Heldendenkmal“ im Äußeren Burgtor soll ein „Gedenk- und Lernort“ werden. Als Pilotprojekt dieser Transformation wird heute die Ausstellung „41 Tage. Kriegsende 1945 - Verdichtung der Gewalt“ eröffnet.

Sie beleuchtet die Verbrechen des NS-Regimes zwischen 29. März, als die Rote Armee die Grenzen des heutigen Österreich überschritt, bis zum Kriegsende am 8. Mai 1945.

Litfaßsäulen der Ausstellung "41 Tage - Kriegsende 1945. Verdichtung der Gewalt" am Heldenplatz in Wien

APA/Herbert Neubauer

Litfaßsäulen der Ausstellung „41 Tage - Kriegsende 1945. Verdichtung der Gewalt“ am Heldenplatz in Wien

Ausstellung: „41 Tage. Kriegsende 1945 - Verdichtung der Gewalt“

bis 3. Juli 2015 am Heldenplatz und im Äußeren Burgtor in Wien

Teil der „Politik der verbrannten Erde“

Eine grobe Schätzung der auf heutigem österreichischen Boden zu beklagenden Opferzahlen dieser 41 Tage belaufe sich auf 87.280 Tote, darunter 47.180 Soldaten, 10.100 Zivilisten sowie 23.000 bei den sogenannten Todesmärschen und 7.000 bei Massakern in Konzentrationslagern Getötete, hieß es am Vormittag bei einem Pressegespräch. Insgesamt sei die Eskalation der Gewalt Teil der „Politik der verbrannten Erde“ des NS-Regimes gewesen, mit der bewusst der spätere Wiederaufbau behindert werden sollte.

Ereignisse aus Verschwiegenheit holen

Es gehe bei der Ausstellung darum, Ereignisse, die von der Geschichtsforschung als „Kriegsendphaseverbrechen“ bezeichnet werden, aus den „verschwiegenen, nicht-erzählten Geschichten“ zu lösen und bewusst zu machen, sagte Heidemarie Uhl vom Institut für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, die gemeinsam mit ihrer Kollegin Monika Sommer und den Grazer Zeithistorikern Georg Hoffmann und Dieter A. Binder die Ausstellung kuratierte.

Ausstellung "41 Tage - Kriegsende 1945. Verdichtung der Gewalt" im Äußeren Burgtor in Wien

APA/Herbert Neubauer

Ausstellung „41 Tage - Kriegsende 1945. Verdichtung der Gewalt“ im Äußeren Burgtor in Wien

Zweiteilige Schau

Die Schau ist zweigeteilt. In der denkmalgeschützten Krypta des Äußeren Burgtors, in der das umstrittene Denkmal des toten Soldaten (in dem ein nationalsozialistisches Huldigungsschreiben aus dem Jahr 1935 gefunden wurde) mit einem erklärenden Text kontextualisiert wurde, werden die letzten Kriegstage in Wien beleuchtet.

Erinnerungssplitter bekannter Persönlichkeiten

41 ausgewählte Erinnerungssplitter bekannter Persönlichkeiten zeigen die vielfältige Wahrnehmung der letzten Kriegstage. Da stehen auf Schautafeln Peter Alexander neben Viktor Matejka und Hermann Langbein, Udo Jürgens neben Ceija Stojka und Karl Merkatz, Thomas Bernhard neben Franz König und Bruno Kreisky neben Heimito von Doderer. Da macht sich Paula Preradović darüber Gedanken, dass aufgrund der vielen bei den Luftangriffen getöteten Singvögel laut einem Gärtner „ein arges Käferjahr bevorstehe“, zwei Meter weiter berichtet Lucia Heilman, die versteckt in einem Keller in der Gumpendorfer Straße zu den wenigen jüdischen Überlebenden Wiens zählte, von einem „ungeheuer belebenden Gefühl“: „Ich war glücklich, ich war selig, ich konnte endlich laufen, wohin ich wollte, und ich konnte mich auf jede Parkbank setzen.“

Litfaßsäulen thematsieren Verbrechensorte

Vor dem künftigen Weltmuseum Wien und wenige Schritte vom geplanten „Haus der Geschichte“ entfernt sind zwölf Litfaßsäulen aufgestellt, auf denen ebenso viele exemplarisch ausgewählte Verbrechensorte thematisiert werden - ein kleiner Ausschnitt, denn rund 100 verschiedene solcher Orte konnten identifiziert werden. Dabei werden in Deutsch und Englisch die historischen Ereignisse beschrieben und in Beziehung zu großen Farbfotos von Stefan Olah gesetzt. „Die Aufgabe war, die Aufgeladenheit der Orte im Bild zu transportieren“, so Olah. Nirgendwo wird übrigens vor Ort an die dort begangenen Verbrechen erinnert.

Begleitendes Vortrags- und Diskussionsprogramm

Auch einen bisher wenig bekannten und weitgehend tabuisierten Aspekt rückt die Ausstellung, die von einem Vortrags- und Diskussionsprogramm begleitet wird, in den Fokus: Georg Hoffmann hat bei seinen Forschungen zur „Fliegerlynchjustiz“ rund 100 Fälle gefunden, in denen abgeschossene alliierte Flugzeugbesatzungen unter Beteiligung der Bevölkerung misshandelt und ermordet wurden. Diese Fälle seien großteils „gänzlich in die Erinnerungslosigkeit verbannt“, sagte der Historiker. Bis auf wenige Ausnahmen seien diese Verbrechen später nicht aufgeklärt, die Schuldigen nicht zu Verantwortung gezogen worden.

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